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17.10.2017

Meldung, Wirtschaftsrecht

Zur Gerichtszuständigkeit für Klagen von Unternehmen wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet

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©dekanaryas/fotolia.com

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sein Urteil zur gerichtlichen Zuständigkeit für Klagen von Unternehmen wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet verkündet.

Der estnische Oberste Gerichtshof hat über die Klage der estnischen Gesellschaft Bolagsupplysningen gegen die schwedische Gesellschaft Svensk Handel, in der Arbeitgeber des Handelssektors zusammengeschlossen sind, zu entscheiden. Bolagsupplysningen macht geltend, Svensk Handel habe sie in eine auf ihrer Website geführte sog. „schwarze“ Liste mit dem Eintrag aufgenommen, sie betreibe Betrug und Gaunerei. Im Diskussionsforum der Website fänden sich nahezu 1.000 Kommentare, darunter direkte Aufrufe zur Gewalt gegen Bolagsupplysningen und ihre Mitarbeiter. Svensk Handel habe sich geweigert, den Eintrag und die Kommentare zu entfernen. Dadurch sei die wirtschaftliche Tätigkeit von Bolagsupplysningen in Schweden lahmgelegt, so dass ihr täglich materieller Schaden entstehe.

Materieller Schaden durch Betrugsvorwurf

Der estnische Oberste Gerichtshof hat den EuGH um Präzisierung der in der sog. Brüssel-I-Verordnung 1215/2012 vorgesehenen Möglichkeit ersucht, im Fall einer unerlaubten Handlung den Beklagten nicht nur in dem Mitgliedstaat zu verklagen, in dem dieser seinen Wohnsitz/Gesellschaftssitz hat, sondern auch vor den Gerichten des Mitgliedstaates, in dem sich das ursächliche Geschehen ereignet hat oder sich der Schadenserfolg verwirklicht hat.

EuGH: Entscheidend ist der Mittelpunkt der Interessen und Ort der Verwirklichung

Der EuGH hat dem estnischen Obersten Gerichtshof mit Urteil vom 17.10.2017 (C‑194/16 – Bolagsupplysningen OÜ, Ingrid Ilsjan gegen Svensk Handel AB) wie folgt geantwortet:

  1. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine juristische Person, deren Persönlichkeitsrechte durch die Veröffentlichung unrichtiger Angaben über sie im Internet und durch das Unterlassen der Entfernung sie betreffender Kommentare verletzt worden sein sollen, Klage auf Richtigstellung der Angaben, auf Verpflichtung zur Entfernung der Kommentare und auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens bei den Gerichten des Mitgliedstaats erheben kann, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet. Übt die betreffende juristische Person den größten Teil ihrer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres satzungsmäßigen Sitzes aus, kann sie den mutmaßlichen Urheber der Verletzung unter Anknüpfung an den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs in diesem anderen Mitgliedstaat verklagen.

 

  1. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass eine Person, deren Persönlichkeitsrechte durch die Veröffentlichung unrichtiger Angaben über sie im Internet und durch das Unterlassen der Entfernung sie betreffender Kommentare verletzt worden sein sollen, nicht vor den Gerichten jedes Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die im Internet veröffentlichten Informationen zugänglich sind oder waren, eine Klage auf Richtigstellung der Angaben und Entfernung der Kommentare erheben kann.

Zum Kriterium des Mittelpunkts

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die estnischen Gerichte unter dem Gesichtspunkt des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs zuständig sind. Im Rahmen der Beantwortung der ersten Frage führt der EuGH aus, dass mit dem Kriterium des Mittelpunkts der Interessen der Ort bestimmt werden solle, an dem sich der Erfolg des durch einen Online-Inhalt verursachten Schadens verwirklicht habe, und damit der Mitgliedstaat, dessen Gerichte am besten in der Lage seien, über den Rechtsstreit zu entscheiden. Übe die betreffende juristische Person wie Bolagsupplysningen den größten Teil ihrer Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres satzungsmäßigen Sitzes aus, sei davon auszugehen, dass ihr geschäftliches Ansehen, das durch die streitige Veröffentlichung beeinträchtigt werden könne, in diesem Mitgliedstaat größer sei als in irgendeinem anderen Mitgliedstaat und dass deshalb eine eventuelle Beeinträchtigung dieses Ansehens dort am stärksten spürbar wäre. Daher könnten die Gerichte dieses Mitgliedstaats am besten beurteilen, ob eine Beeinträchtigung vorliege und welchen Umfang sie eventuell habe.

 Zum Ort der Verwirklichung

Im Rahmen der Beantwortung der zweiten Frage führt der EuGH u.a. Folgendes aus: In Anbetracht der umfassenden Abrufbarkeit der auf einer Website veröffentlichten Angaben und Inhalte und des Umstands, dass die Reichweite ihrer Verbreitung grundsätzlich weltumspannend sei, sei ein auf die Richtigstellung dieser Angaben und die Entfernung dieser Inhalte gerichteter Antrag einheitlich und untrennbar und könne somit nur bei einem Gericht erhoben werden, das für die Entscheidung über einen Antrag auf Ersatz des gesamten Schadens zuständig sei, und nicht bei einem Gericht, das nicht über eine solche Zuständigkeit verfüge. (RN 48)

Zur früheren Entscheidung bei natürlichen Personen

Zur Erinnerung: Im spezifischen Kontext des Internets hatte der Gerichtshof in einer Rechtssache, die eine natürliche Person betraf, bereits entschieden, dass im Fall der Geltendmachung einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Inhalte, die auf einer Website veröffentlicht worden sind, die Person, die sich in ihren Rechten verletzt fühle, die Möglichkeit haben müsse, bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befinde, eine Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens zu erheben (Urteil vom 25.10.2011, eDate Advertising u. a., C-509/09 und C‑161/10).

(EuGH, PM vom 17.10.2017 / Viola C. Didier)


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