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17.08.2018

Arbeitsrecht, Meldung

Unverwertbarkeit von Beweismitteln aus Videoüberwachung von Arbeitnehmern?

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©alexlmx/fotolia.com

Wer als Arbeitnehmer klaut, dem darf gekündigt werden. Diese Erkenntnis dürfte wenige verwundern. Wie ist es aber, wenn der Arbeitgeber die Beweismittel durch eine Videoüberwachung des Arbeitnehmers gewonnen hat?

Dürfen diese Beweismittel durch eine Videoüberwachung gegen Arbeitnehmer verwendet werden? Nein, urteilte die Vorinstanz und gab der Arbeitnehmerin, die gegen die Kündigung geklagt hatte, Recht. Die Kündigung im vorliegenden Fall sei unwirksam. Hiergegen legte der Arbeitgeber Revision ein – das Bundesarbeitsgericht wird hierüber am Donnerstag, dem 23.08. (BAG vom 23.08.2018 – 2 AZR 133/18) entscheiden. Erst im vergangenen Jahr hatte das BAG durch seine „Keylogger-Entscheidung“ die Bedeutung des Datenschutzes betont; angesichts des Inkrafttretens der neuen Datenschutzgrundverordnung zum Mai 2018 ist die anstehende Entscheidung daher mit Spannung zu erwarten. Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Arbeitsrechtler und Professor an der Hochschule Fresenius, gibt eine Einschätzung.

Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Den Arbeitnehmer schützen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Diese im Grundrecht verankerten Rechte gestatten dem Arbeitnehmer, über die Verwendung seiner persönlichen Daten grundsätzlich allein zu entscheiden. Der Arbeitgeber hat hingegen ein berechtigtes Interesse, Straftaten und Pflichtverletzungen seiner Arbeitnehmer im Betrieb aufzuklären. „Im Zweifel ist zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und den berechtigten Interessen des Arbeitgebers abzuwägen“, weiß Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius.

Datenschutzrecht gibt genaue Vorgaben

Das Datenschutzrecht sieht daher eine solche Abwägung zwischen den beiderseitigen Interessen gem. § 26 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vor. „Auf einzelne Arbeitnehmer gerichtete Ermittlungsmaßnahmen sind nur zulässig, wenn der Arbeitgeber einen konkreten Verdacht einer Pflichtverletzung oder Straftat hat. Ermittlungen ‚ins Blaue hinein‘ sind unzulässig. Dabei gewonnene Erkenntnisse sind dann oftmals nicht verwertbar“, so Fuhlrott.

Sonderregelungen für Videoüberwachungen

Für Videoüberwachungen finden sich im BDSG zudem genaue Regelungen, was erlaubt ist und was nicht. Diese sind nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung zum 25.05.2018 nochmals verschärft worden. Öffentlich zugängliche Räume dürfen nur überwacht werden, wenn dies zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist, so schreibt das BDSG es in § 4 vor. Durch einen entsprechenden Hinweis muss auf die bestehende Videoüberwachung hingewiesen werden. Die erhobenen Daten sind zudem unverzüglich zu löschen, wenn die Speicherung zur Zweckerreichung nicht mehr erforderlich ist. „Durch das neue Datenschutzrecht sind die Vorgaben für offene Videoüberwachungen, die Arbeitgeber zu wahren haben, nochmals verschärft worden“, so Fuhlrott. Um eine solche Videoüberwachung handelte es sich im aktuellen Fall.

Verdeckte Videoüberwachungen nur in Ausnahmen

Noch strenger ist hingegen der Maßstab bei verdeckten Videoüberwachungen, also solchen, von denen der Arbeitnehmer keine Kenntnis hat. „Verdeckte Videoüberwachungen von Arbeitnehmern sind nur in Ausnahmefällen erlaubt, wenn der Arbeitgeber einen konkreten Verdacht hat und andere Mittel zur Aufklärung ausscheiden“, erklärt der Arbeitsrechtler.

Sachverhalt der aktuellen Entscheidung

Im aktuellen BAG-Fall betrieb der Arbeitgeber eine Lottoannahmestelle und verdächtigte eine Arbeitnehmerin aufgrund von im August 2016 angesehenen Videoaufnahmen der offenen Videoüberwachung im Verkaufsraum, bereits im Februar 2016 mehrere Geldbeträge unterschlagen zu haben. Er kündigte daraufhin außerordentlich fristlos.

Diese Kündigung war vor dem Landesarbeitsgericht Hamm erfolglos. Der Arbeitgeber habe durch die lange Aufbewahrung der Videobänder gegen datenschutzrechtliche Vorgaben verstoßen. Die Aufnahmen hätten unverzüglich gelöscht werden müssen. Eine Einsichtnahme erst nahezu ein halbes Jahr später sei unzulässig. Daher sei gegen das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmerin verstoßen worden. Das Gericht qualifizierte die Videoaufnahmen und die hierauf beruhenden Aussagen von Zeugen als unverwertbar. Der Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmerin überwiege hier das Arbeitgeberinteresse an Aufklärung. Daher sei die Kündigung unwirksam.

Entscheidung des BAG mit Blick auf neues Datenschutzrecht?

„Die Vorinstanz stellt sich damit auf eine eher formalistische Betrachtung“, so Fuhlrott. Es sei richtig, dass das Datenschutzrecht die unverzügliche Löschung von Aufnahmen vorschreibt. „Allerdings muss auch in solchen Fällen eine Abwägung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteresse erfolgen.“ In anderen Fällen in der Vergangenheit habe das BAG etwa Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorgaben dahinstehen lassen, wenn es bei einer Abwägung zu einem Überwiegen des Arbeitgeberinteresses kam. „Das Bundesarbeitsgericht hat in mehreren Entscheidungen deutlich gemacht, dass ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Normen nicht per se zur Unverwertbarkeit führt“, meint Fuhlrott. Ob das BAG dieser Linie treu bleibt, hält er für offen: „Einerseits hat das Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit deutlich gemacht, welches Gewicht es der Interessenabwägung beimisst. Andererseits sind durch das neue Datenschutzrecht viele Anforderungen wie weitergehende Dokumentationspflichten gestärkt worden, sodass das Gericht künftig auch eine strengere Linie zugrunde legen könnte“, so Fuhlrott. Die Entscheidung am 23.08.2018 bleibe jedenfalls mit Spannung abzuwarten.

(Hochschule Fresenius, PM vom 15.08.2018 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)


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