• Home
  • /
  • Meldungen
  • /
  • Umsatzsteuerliche Organschaft bei Mehrheitsgesellschafter ohne Stimmrechtsmehrheit

03.07.2018

Meldung, Steuerrecht

Umsatzsteuerliche Organschaft bei Mehrheitsgesellschafter ohne Stimmrechtsmehrheit

Beitrag mit Bild

©wsf-f/fotolia.com

Die für die umsatzsteuerliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG erforderliche finanzielle Eingliederung in das Unternehmen des Mehrheitsgesellschafters liegt auch dann vor, wenn der Mehrheitsgesellschafter nur über 50 % der Stimmrechte verfügt und in beiden Gesellschaften dieselbe Person als alleiniger Geschäftsführer tätig ist. Dies hat das FG Kiel entschieden.

Im Streitfall hatte eine GmbH geklagt, deren Gegenstand die Führung der Geschäfte ihrer Gesellschafter, der A und des C e. V. ist. Die Gesellschafter sind zu 51 % (A) und zu 49 % (C e. V.) an der Klägerin beteiligt. Alleiniger Geschäftsführer der Klägerin war im Streitjahr E, der zugleich alleiniger Geschäftsführer der A und geschäftsführender Vorstand des C e. V. war. Nach der im Streitjahr wirksamen Regelung des Gesellschaftsvertrags hatte jeder Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung sieben Stimmen und entsandte in die Gesellschafterversammlung bis zu sieben Vertreter/innen mit jeweils einer Stimme, die nach eigenem pflichtgemäßem Ermessen entscheiden konnten. Bei Entscheidungen, die unmittelbar das jeweils von einem Gesellschafter der Klägerin zur Verfügung gestellte Anlagevermögen betrafen, konnten die Stimmen pro Gesellschafter nur einheitlich abgegeben werden; die Vertreter/innen waren zudem an die Anweisungen des entsendenden Gesellschafters gebunden.

Finanzamt erkennt umsatzsteuerliche Organschaft nicht an

Das Finanzamt erkannte im Anschluss an eine Außenprüfung die umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der A als Organträgerin und der Klägerin nicht an, da es an einer finanziellen Eingliederung der Klägerin fehlte. Die A sei zwar mehrheitlich an der Klägerin beteiligt, sei aber mangels Stimmrechtsmehrheit nicht in der Lage, Beschlüsse bei der Klägerin durchzusetzen. Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, dass es für die Annahme einer umsatzsteuerlichen Organschaft nicht auf das Vorliegen einer Stimmenmehrheit des Organträgers ankomme. Das Kriterium der finanziellen Eingliederung setze nach der Rechtsprechung des EuGH nicht voraus, dass mit der Anteilsmehrheit auch eine Stimmrechtsmehrheit einhergehe.

Erfolg vor dem FG

Das Finanzgericht Kiel gab der Klage mit Urteil vom 06.02.2018 (4 K 35/17) statt, da nach dem Gesamtbild der Verhältnisse von einer umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen der A als Organträgerin und der Klägerin auszugehen war. Neben einer deutlich ausgeprägten wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung der Klägerin sah das Finanzgericht auch die finanzielle Eingliederung als erfüllt an. Die Mehrheitsbeteiligung der A an der Klägerin ermöglichte auch ohne Stimmrechtsmehrheit die rechtssichere Bestimmung der A als Organträgerin, da der C e.V. als Minderheitsgesellschafter von der Stellung als Organträger ausgeschlossen war.

Stimmrechtsmehrheit war nicht erforderlich

Das Erfordernis einer Stimmrechtsmehrheit war im Streitfall nach Auffassung des Finanzgerichts auch nicht zur Verhinderung von Missbräuchen sowie der Vermeidung der Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich, da es im Streitfall an konkreten Anhaltspunkten für derartige Verhaltensweisen fehlte. Die für das Vorliegen eines Über- und Unterordnungsverhältnisses zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft erforderliche Durchgriffsmöglichkeit der A auf die Klägerin ergab sich aus der Identität des Alleingeschäftsführers der A und der Klägerin. Die A konnte durch ihren Alleingeschäftsführer unmittelbar in die laufende Geschäftsführung der Klägerin eingreifen und sich die für die Abgabe von Steueranmeldungen und Steuererklärungen notwendigen Informationen beschaffen sowie die zur Erfüllung von Steueransprüchen notwendigen Ausgleichsansprüche durchsetzen. Der C e. V. konnte als Minderheitsgesellschafter keine abweichende Willensbildung in der Gesellschafterversammlung herbeiführen, da die A insoweit über eine Sperrminorität von 50 % der Stimmrechte verfügte.

Gegen das Urteil wurde die Revision zugelassen, da vom V. und vom XI. Senat des BFH abweichende Auffassungen zu den Voraussetzungen der finanziellen Eingliederung vertreten werden. Das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen XI R 16/18 anhängig.

(FG Kiel, NL vom 02.07.2018 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)


Weitere Meldungen


Meldung

nx123nx/123rf.com


18.03.2024

Ausweitung des Einsatzes digitaler Werkzeuge im EU-Gesellschaftsrecht

Im Bereich des EU-Gesellschaftsrechts sollen digitale Lösungen den Verwaltungsaufwand drastisch verringern und Gesellschaften von Bürokratie entlasten.

weiterlesen
Ausweitung des Einsatzes digitaler Werkzeuge im EU-Gesellschaftsrecht

Meldung

©Sashkin/fotolia.com


18.03.2024

Frist für Corona-Schlussabrechnungen auf den 30.09.2024 verlängert

Die Frist für Einreichung der Schlussabrechnungen der Corona-Wirtschaftshilfen wurde auf den 30.09.2024 verlängert.

weiterlesen
Frist für Corona-Schlussabrechnungen auf den 30.09.2024 verlängert

Meldung

©8vfanrf /123rf.com


15.03.2024

KapMuG: Schnellere Musterverfahren bei Anlegerschäden

Mit der Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes sollen Anleger künftig schneller zu ihrem Recht kommen und die Verfahren für die Gerichte leichter handhabbar werden.

weiterlesen
KapMuG: Schnellere Musterverfahren bei Anlegerschäden

Haben wir Ihr Interesse für DER BETRIEB geweckt?

Sichern Sie sich das DER BETRIEB Gratis Paket: 4 Hefte + Datenbank