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11.10.2017

Arbeitsrecht, Meldung

Sozialrecht: Wann wird Ausbildung zur Ausbeutung?

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©BillionPhotos.com/fotolia.com

Das Sozialgericht Berlin hat eine Entscheidung im Ärztestreit über Weiterbildungsassistenten gefällt. Derzeit sind noch rund 60 weitere Fälle wegen Honorarkürzungen aufgrund der Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten anhängig.

Die Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten (also eines bereits approbierten Arztes, der zur Erlangung der Facharzt-Anerkennung in einer Facharztpraxis ausgebildet wird) darf vom ausbildenden Arzt nicht zur Vergrößerung seiner Kassenpraxis oder zur Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs genutzt werden.

Missbrauch als billige Arbeitskraft

Ein derartiger Missbrauch von Weiterbildungsassistenten als billige Arbeitskräfte berechtigt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) zu Honorarkürzungen. Allerdings kann nicht automatisch von einem unzulässigen Praxisumfang ausgegangen werden, sobald die Zahl der behandelten Patienten das Doppelte des durchschnittlich Üblichen beträgt. Erst ab einem Praxisumfang von 250 % über dem Durchschnitt der Fachgruppe liegt ein übergroßer – und damit eine Honorarkürzung rechtfertigender – Praxisumfang vor. Selbst dann muss die KV zusätzlich noch beweisen, dass der überdurchschnittliche Praxisumfang auch tatsächlich auf dem missbräuchlichen Einsatz von Assistenten beruht.

Der Streitfall

Die Klägerin ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und seit 2007 Vertragsärztin in Berlin. Seit 2012 beschäftigte sie eine Weiterbildungsassistentin. Für das IV. Quartal 2012 und das I. Quartal 2013 kürzte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung Berlin das Honorar der Klägerin aufgrund der Beschäftigung der Weiterbildungsassistentin um insgesamt rund 32.000 Euro. Zur Begründung führte sie aus, dass die Fallzahlen der Klägerin 200 % über dem Durchschnitt gelegen haben und die Praxis damit übergroß gewesen sei. Bei einer so überdurchschnittlich großen Zahl von Patienten habe ein Arzt nicht mehr ausreichend Zeit, seine Weiterbildungsassistenten ordnungsgemäß anzuleiten und zu überwachen.

Klage gegen Honorarkürzung

Gegen die Honorarkürzung erhob die Ärztin Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Ihrer Meinung nach ist es nicht zulässig, bei einem Überschreiten der Fallzahl von 200 % des Fachgruppendurchschnitts automatisch von einer übergroßen Praxis auszugehen. Die Größe ihrer Praxis sei unter anderem durch externe Faktoren wie z. B. den Wegfall der Praxisgebühr beeinflusst worden.

Erfolg vor Gericht

Mit Urteil vom 13.09.2017 (S 83 KA 423/14) hat das Sozialgericht Berlin der Klägerin Recht gegeben und die Beklagte zur Nachzahlung des Honorars verurteilt. Der Beklagten sei es grundsätzlich nicht verwehrt, Honorarabrechnungen richtigzustellen, wenn Leistungen in übergroßem Umfang mithilfe eines Weiterbildungsassistenten erbracht wurden. Allerdings sei ein übergroßer Praxisumfang nicht schon automatisch ab dem Doppelten des Fachgruppendurchschnitts gegeben. Es müsse vielmehr berücksichtigt werden, dass die Gruppe der Hausärzte in Berlin nicht homogen sei. Der Durchschnitt der Fallzahlen bilde nicht den Leistungsumfang einer voll ausgelasteten Hausarztpraxis ab. Wolle man – wie die Beklagte – einen festen Grenzwert für das Vorliegen eines übergroßen Praxisumfangs zugrunde legen, so sei dieser deshalb erst bei 250 % des Durchschnitts anzusetzen.

Kausalzusammenhang zwischen Beschäftigung und Praxisumfang

Zudem spiegelten allein die Fallzahlen in den unterschiedlichen Arztgruppen und angesichts der unterschiedlichen Therapieangebote auch nur unzureichend wider, wie viel Zeit dem weiterbildenden Vertragsarzt tatsächlich für die Weiterbildung verblieb. Deshalb müsse zusätzlich darauf abgestellt werden, ob ein Kausalzusammenhang zwischen der Beschäftigung des Weiterbildungsassistenten und dem übergroßen Praxisumfang bestehe. Hierfür trage die Beklagte die Beweislast. Im vorliegenden Fall habe die Praxis keinen übergroßen Umfang gehabt. Auch ein Kausalzusammenhang zwischen Fallzahlen und Weiterbildungsassistentin sei nicht ersichtlich gewesen. Die Fallzahlen der Klägerin hätten das Zweieinhalbfache des Durchschnitts nicht erreicht. Darüber hinaus sei die Klägerin auch schon vor Einstellung der Weiterbildungsassistentin in der Lage gewesen, eine – nach Auffassung der Beklagten – übergroße Praxis mit hohen Fallzahlen zu führen.

(SG Berlin, PM vom 11.10.2017  / Viola C. Didier)


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