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07.05.2018

Meldung, Wirtschaftsrecht

Schlussanträge zu missbräuchlichen Klauseln bei Fremdwährungskrediten

Nach Auffassung von Generalanwalt Evgeni Tanchev ist die gesetzgeberische Antwort eines Mitgliedstaats auf eine Entscheidung des EuGh zur Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln wegen fehlender Klarheit gerichtlich nachprüfbar.

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Nach Auffassung von Generalanwalt  Evgeni Tanchev ist die gesetzgeberische Antwort eines Mitgliedstaats auf eine Entscheidung des EuGh zur Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln wegen fehlender Klarheit gerichtlich nachprüfbar.

Im Februar 2008 schlossen Frau Ilyés und Herr Kiss mit einer ungarischen Bank einen Darlehensvertrag über die Bereitstellung eines auf Schweizer Franken (CHF) lautenden Darlehens. Obwohl die monatlichen Tilgungsraten in ungarischen Forint (HUF) zu zahlen waren, wurde nach dem Vertrag der Gesamtbetrag dieser Tilgungsraten auf der Grundlage des aktuellen Wechselkurses zwischen HUF und CHF berechnet. Zudem akzeptierten die Darlehensnehmer das Wechselkursrisiko zwischen diesen beiden Währungen.

Wechselkursrisiko auf Darlehensnehmer übertragbar?

Anschließend änderte sich der Wechselkurs erheblich zu Lasten der Darlehensnehmer, was zu einer signifikanten Erhöhung ihrer Monatsraten führte. Im Mai 2013 erhoben Frau Ilyés und Herr Kiss bei den ungarischen Gerichten Klage gegen die OTP Bank und die OTP Factoring, an die die Forderungen der Gläubiger aus dem fraglichen Darlehensvertrag abgetreten worden waren. Im Lauf dieses Verfahrens stellte sich die Frage, ob die Vertragsklausel, mit der das Wechselkursrisiko auf die Darlehensnehmer übertragen worden war, als missbräuchlich im Sinne der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen und daher als für die Darlehensnehmer nicht bindend anzusehen sei, da sie von der betroffenen Bank nicht klar und verständlich gefasst worden sei.

Neue Gesetze – gleiches Risiko

Inzwischen erließ Ungarn im Jahr 2014 Gesetze, durch die bestimmte missbräuchliche Klauselnaus Fremdwährungsdarlehensverträgen entfernt, praktisch alle ausstehenden Verbraucherschulden aus diesen Verträgen in HUF umgerechnet und weitere inhaltliche Änderungen der Rechtsbeziehungen zwischen den fraglichen Vertragsparteien vorgenommen wurden. Mit diesen Gesetzen sollte ferner ein Beschluss der Kúria (Oberster Gerichtshof, Ungarn) über die Unvereinbarkeit bestimmter Klauseln in Fremdwährungsdarlehensverträgen mit der Richtlinie umgesetzt werden. Jedoch lag das Wechselkursrisiko auch nach den neuen Gesetzen bei den Darlehensnehmern. Da nach der Richtlinie Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften beruhen, nicht in deren Geltungsbereich fallen, möchte das ungarische Gericht vom EuGH wissen, ob es die Missbräuchlichkeit einer unklaren Klausel, die das Wechselkursrisiko dem Darlehensnehmer auferlegt, feststellen kann, auch wenn die Wirksamkeit dieser Klausel vom ungarischen Gesetzgeber bestätigt worden ist.

Schutzniveau der Richtlinie darf nicht unterschritten werden

In seinen Schlussanträgen vom 03.05.2018 (C-51/17) weist Generalanwalt Evgeni Tanchev darauf hin, dass das Ziel, Klauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften beruhten, vom Geltungsbereich der Richtlinie auszunehmen, dadurch gerechtfertigt sei, dass die Annahme zulässig sei, dass der nationale Gesetzgeber eine ausgewogene Regelung aller Rechte und Pflichten der Parteien der betroffenen Verträge getroffen habe. Diese Annahme könne jedoch nicht in Bezug auf gesetzliche Maßnahmen wie die erwähnten ungarischen Gesetze gelten, die nach Abschluss des fraglichen Vertrags erlassen worden seien und eine gerichtliche Feststellung eines Verstoßes gegen die Richtlinie umsetzen sollten. Insoweit ist der Generalanwalt der Auffassung, dass den Mitgliedstaaten mit der fraglichen Ausnahme habe ermöglicht werden sollen, Vorschriften beizubehalten oder einzuführen, die über das Schutzniveau der Richtlinie hinausgingen, sie aber nicht hinter dem von diesen Vorschriften vorgesehenen Schutz zurückbleiben dürften.

Gesetzgeberische Antwort auf EuGH-Entscheidung muss überprüfbar sein

Zudem weist der Generalanwalt darauf hin, dass die gesetzgeberische Antwort eines Mitgliedstaats auf eine Entscheidung das Gerichtshofs, dass eine nationale Rechtsvorschrift oder Gepflogenheit mit der Richtlinie unvereinbar sei, nicht von der gerichtlichen Überprüfung ausgeschlossen werden könne, da ein solcher Ausschluss gegen die Charta der Grundrechte der EU verstoße, nach der ein hohes Verbraucherschutzniveau und ein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf sicherzustellen sei. Nach alledem vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass eine Klausel, die aufgrund eines gesetzgeberischen Eingriffs Bestandteil eines Fremdwährungsdarlehensvertrags sei und die eine ursprüngliche Vertragsklausel, die das Wechselkursrisiko dem Darlehensnehmer auferlege, beibehalte, nicht auf einer bindenden Rechtsvorschrift im Sinne der Richtlinie beruhe. Daher könne das nationale Gericht in Fällen, in denen diese Klausel nicht in dem Vertrag klar und verständlich abgefasst worden sei, prüfen, ob sie eine missbräuchliche Klausel darstelle, die für den Verbraucher unverbindlich sei.

(EuGH, PM vom 03.05.2018 / Viola C. Didier)


Redaktion

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