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10.02.2020

Meldung, Wirtschaftsrecht

Masseninkasso: Verstoß gegen Rechtsdienstleistungsgesetz

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Das Landgericht München I hat die Klage eines auf die IT-basierte Durchsetzung von Massenschadensfällen spezialisierten Rechtsdienstleistungsunternehmens abgewiesen. Damit ist die größte Klage gegen ein Lkw-Kartell vorerst gescheitert. Diese Form des Masseninkasso ist gesetzeswidrig, urteilten die Richter.

Die Klägerin hatte von den Beklagten aus abgetretenem Recht Schadensersatz in Höhe von mindestens 603 Millionen Euro zzgl. Zinsen aufgrund von ihr behaupteter kartellbedingt überhöhter Preise für Lkw verlangt, die über 3.000 Kunden der Klägerin in einer Vielzahl europäischer Länder jedenfalls zwischen 17.01.1997 und 31.12.2016 erworben haben sollen. Die Beklagten sind große europäische Lkw-Hersteller Daimler, MAN, DAF, Iveco und Volvo.

BGH-Urteil zu Masseninkasso maßgeblich

Das LG München hält die Abtretungen wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) für nichtig (Urteil vom 07.02.2020 – I 37 O 18934/17). Wie der Bundesgerichtshof Ende November 2019 in seiner Entscheidung zu www.wenigermiete.de bzw. lexfox zum Masseninkasso hervorgehoben hat, hat die Kammer dabei eine am Schutzzweck des RDG ausgerichtete Würdigung der Umstände des Einzelfalls einschließlich einer Auslegung der hinsichtlich der Forderungseinziehung getroffenen Vereinbarungen vorgenommen. Das RDG dient dem Schutz der Rechtssuchenden, des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen.

Klarer Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz

Die Nichtigkeit ergibt sich nach Überzeugung der Kammer zum einen daraus, dass die Rechtsdienstleistungen der Klägerin von vorneherein nicht auf eine außergerichtliche, sondern ausschließlich auf eine gerichtliche Tätigkeit gerichtet sind. Sie sind daher kein Inkasso im Sinne des RDG. Die Klägerin überschreitet damit ihre Inkassoerlaubnis. Dies folgert die Kammer aus einer Gesamtschau der vertraglichen Regeln, des Auftretens der Klagepartei gegenüber ihren Kunden und der tatsächlichen Durchführung. So sei etwa „das Angebot nach seinem Gesamteindruck auf die Beteiligung an einer Sammelklage gerichtet“.

Auch aus dem Internetauftritt der Klägerin folgt, dass die Vertragspflichten der Klagepartei von vorneherein ausschließlich auf die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche gerichtet sind. So meldeten sich die Kunden der Klägerin zur Berücksichtigung ihrer Fahrzeugerwerbe in einer Klage an. Zum anderen verstößt die Rechtsdienstleistung der Klägerin deshalb gegen das RDG, weil die Erfüllung der Pflichten gegenüber den Kunden durch andere Leistungspflichten der Klagepartei unmittelbar beeinflusst und gefährdet wird.

Interessenkollision durch Prozessfinanzierungsvertrag

Unmittelbarer Einfluss auf die Leistungserbringung und eine Gefährdung ergibt sich auch aus der Prozessfinanzierung. Die Klägerin hat mit einer im Ausland ansässigen Gesellschaft einen Prozessfinanzierungsvertrag abgeschlossen. Darin ist etwa geregelt, dass der Prozessfinanzierer einen bestimmten Anteil an der Erfolgsprovision der Klägerin (Letztere beträgt grundsätzlich 33 % zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer der tatsächlich auf die möglichen Kartellschadensersatzansprüche empfangenen Leistungen) erhält. Da die Klägerin nach ihrem Vortrag aufgrund der Prozessfinanzierungsvereinbarung von Kosten des Verfahrens vollständig freigestellt ist, könnten ihr kostenauslösende prozessuale Schritte weitgehend egal sein. An dieser Stelle besteht jedoch die Gefahr, dass die Zweckmäßigkeitserwägungen des Prozessfinanzierers, an den die Klägerin regelmäßig berichten muss, an die Stelle eigener Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen der Klägerin treten. Da es sich bei dem Prozessfinanzierer um ein ausländisches Unternehmen mit einer börsennotierten Muttergesellschaft handelt, das unter Beobachtung von Analysten und Presse steht, können hier andere Kriterien maßgeblich sein als bei einem eigenfinanzierten Prozess.

Aus der Abhängigkeit der Klägerin von der Prozessfinanzierung folgt die konkrete Gefahr des Einflusses sachfremder Entscheidungskriterien auf die Art und Weise der Rechtsdurchsetzung, die den Interessen der Kunden der Klägerin zuwiderläuft. Die Kammer verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die Vereinbarung eines Erfolgshonorars ein beträchtliches Eigeninteresse des Prozessfinanzierers an einer möglichst erfolgreichen Durchsetzung der Ansprüche der Zedenten begründet. Dies hindert in vorliegendem Fall die Annahme einer Interessenkollision jedoch nicht.

Auch die Gesamtabwägung unter Berücksichtigung des Schutzzweckes des Gesetzes und der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit der Klägerin sowie der Eigentumsgarantie der Zedenten führt zu einer Bewertung der Dienstleistung als verbotene Rechtsdienstleistung.

(LG München I, PM vom 07.02.2020 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)

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