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23.06.2020

Meldung, Wirtschaftsrecht

Marktwert von SAP-Call-Optionen nach Lehman-Insolvenz

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©EtiAmmos/fotolia.com

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat den Marktwert von SAP-Call-Optionen auf den Stichtag zwei Tage nach der Insolvenz von Lehman-Brothers ermittelt und der Beklagten Schadensersatz in Höhe von insgesamt rund 26 Mio. Euro zugesprochen.

Die Parteien stritten um Ansprüche aus einem Optionsgeschäft nach der Insolvenz von Lehman-Brothers. Zum Vermögen der Klägerinnen gehören SAP-Aktien. Die Beklagte gehört zur Lehman-Gruppe. Die Parteien schlossen im Oktober 2005 Optionsgeschäfte in Bezug auf SAP-Aktien ab. Die Klägerinnen räumten dabei der Beklagten das Recht ein, zu einem bestimmten Stichtag eine bestimmte Anzahl von SAP-Aktien zu einem bestimmten Kaufpreis (Ausübungspreis) zu erwerben.

Insolvenz vor Stichtag

Die Kaufoption sollte als ausgeübt gelten, wenn der Börsenkurs der SAP-Aktien am Stichtag höher oder gleich dem vereinbarten Ausübungspreis sein würde; andernfalls sollten die Optionen verfallen. Am 15.09.2008 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt waren noch Optionsgeschäfte mit Ausübungsstichtag 18.12.2009 über jeweils 2 Millionen SAP-Aktien zum Kaufpreis i.H.v. 36,10 Euro je Aktie offen. Der Schlusskurs der SAP-Aktie belief sich am 15.09.2008 auf 38,15 Euro, am 18.12.2009 – dem eigentlich vorgesehenen Stichtag – auf 32,205 Euro.

Die Klägerinnen hatten zunächst die Feststellung beantragt, dass der Beklagten nach der Lehman-Insolvenz keine Zahlungsansprüche aus diesen Optionsgeschäften gegen sie zustünden. Die Beklagte hatte widerklagend von jeder der beiden Klägerinnen Zahlung eines Ausgleichsbetrags in Höhe von knapp 13 Mio. Euro Zug um Zug gegen Übertragung der verpfändeten Aktien verlangt. Den Klägerinnen sei durch die Befreiung von dem Optionsgeschäft ein finanzieller Vorteil und ihr, der Beklagten, durch die vorzeitige Beendigung ein Nachteil entstanden.

So wird der Marktwert berechnet

Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 09.06.2016 – IX ZR 314/14) hatte das zunächst den Ansprüchen der Beklagten im Wesentlichen stattgebende Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 05.12.2013 aufgehoben und das OLG zur Neuberechnung unter Zugrundelegung eines im Wege der Beweisaufnahme zu klärenden Marktwerts der Optionen am 17.09.2008 angewiesen. Für den Marktwert sei nicht die Handelbarkeit der Optionen, sondern die bestehende Möglichkeit einer Ersatzeindeckung für denselben Ausübungsstichtag maßgeblich.

OLG Frankfurt/M. spricht 26. Mio. Euro zu

Das OLG hat der Beklagten nunmehr den geltend gemachten Zahlungsanspruch in Höhe von knapp 13 Mio. Euro gegenüber jeder Klägerin, insgesamt 26 Mio. Euro zugesprochen. Die Klägerinnen schuldeten der Beklagten den vollen Marktwert der Optionen zum Insolvenzzeitpunkt. Infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor dem vereinbarten Stichtag endete das Finanzgeschäft automatisch. Wolle eine Partei, hier die Klägerinnen, weiterhin am vereinbarten Stichtag zur Lieferung von Wertpapieren verpflichtet sein, müssten sie ein Ersatzgeschäft abschließen. Der Ersatzbeschaffungsaufwand oder -gewinn, der bei Wiedereindeckung durch ein vergleichbares Neugeschäft entstünde, drücke das Risiko des Wegfalls des Vertragspartners betragsmäßig aus. Dieser Ersatzbeschaffungsaufwand bzw. -gewinn sei der Markt- bzw. Börsenpreis des Vertrags. Deshalb sei für den Marktpreis die bestehende Möglichkeit einer Ersatzeindeckung für denselben Ausübungstag maßgeblich.

Besonderes Marktumfeld – doch Handel bestand weiterhin

Für das Vorliegen eines Markt- bzw. Börsenpreises sei entscheidend, dass die Möglichkeit bestehe, sich anderweitig abzusichern. Hier, so das OLG, hätte für die Klägerinnen am 17.09.2008 die Möglichkeit einer Ersatzeindeckung bestanden. Nach dem Ergebnis des insoweit eingeholten Sachverständigengutachtens sei davon auszugehen, dass am 17.09.2008 ein Markt für die Ersatzgeschäfte vorhanden gewesen sei. An diesem Tag habe zwar wegen der zwei Tage zuvor eingetretenen Lehman-Insolvenz ein besonderes Marktumfeld geherrscht. Das Vertrauen in die Stabilität von Banken und Versicherungen sei massiv beschädigt gewesen. Die großen Banken hätten erhebliche Liquiditäts- und Eigenkapitalprobleme gehabt. Dennoch sei gemäß den überzeugenden Angaben des Sachverständigen davon auszugehen, „dass sowohl der Aktienmarkt als auch der Aktienderivatemarkt vorhanden waren und SAP-Aktien sowie SAP-Aktienoptionen gehandelt wurden.“

Ersatzgeschäfte wären möglich gewesen

Es sei auch davon auszugehen, dass es Banken gegeben hätte, die Interesse an dem streitgegenständlichen Ersatzgeschäft gehabt hätten. Der Erwerb der Call-Optionen am 17.09.2008 hätte – auch auf Basis der Sachverständigenangaben – eine attraktive Anlage darstellen können. Ein Optionskäufer hätte von künftigen Aktienkursbewegungen profitieren können. Diesen möglichen Ersatzgeschäften hätte auch nicht die Gefahr eines Leerverkaufsverbots entgegengestanden. Gemäß den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen hätten die Ersatzgeschäfte einen Marktwert von 6,84 Euro je Option gehabt, welcher auch für diesen Tag nach der in der Praxis verbreiteten Black-Scholes-Formel ermittelt werden könne. Da ein Teilbetrag des sich damit insgesamt errechnenden Ausgleichsanspruchs in Höhe von je 13,68 Millionen Euro gegenüber jeder Klägerin verjährt sei, könnte die Beklagte noch knapp 13 Millionen Euro jeweils von beiden Klägerinnen verlangen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Klägerinnen können mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision begehren.

(OLG Frankfurt, PM vom 17.06.2020 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)

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