In dem Fall eines Whistleblowers im LuxLeaks-Finanzskandal entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dass das Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 10 EMRK bei unzureichendem öffentlichem Interesse an der Information nicht verletzt ist.
Beim sog. LuxLeaks-Finanzskandal wurden mehr als 548 verbindliche Vorbescheide (Advance Tax Rulings) der Luxemburger Steuerbehörde durch Whistleblower öffentlich gemacht. Die Advance Tax Rulings boten 343 internationalen Konzernen – beispielsweise Apple, Amazon und Ikea – Steuervermeidungsmodelle zulasten der EU-Nachbarländer.
Im aktuellen Fall vor dem EGMR ging es um den Arbeitnehmer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers, der die Steuerdeals zwischen den multinationalen Unternehmen und den luxemburgischen Steuerbehörden offenlegte.
LuxLeaks schädigten den Ruf des Arbeitgebers PricewaterhouseCoopers
Der EGMR erkannte in seinem Urteil vom 11.05.2021 (Rs. Halet v. Luxemburg Nr. 21884/18) zwar im Grundsatz an, dass der Antragsteller als Whistleblower anzusehen ist. Er verfolgte mit seinen Handlungen ein legitimes Ziel. Dennoch überwog im konkreten Fall die schwerwiegende Verletzung des Berufsgeheimnisses und die hierdurch verursachte Rufschädigung des Arbeitgebers PricewaterhouseCoopers. Damit bestätigten die Richter die Sichtweise des Luxemburger Berufungsgerichts.
Schwerwiegende Verletzung des Berufsgeheimnisses
Nach Auffassung des EGMR sei das öffentliche Interesse angesichts der weder unerlässlichen noch neuen oder bislang unbekannten Informationen vergleichsweise gering. Auch aufgrund der milden Strafe wegen Diebstahls in Höhe von 1.000 Euro sei nicht zu befürchten, dass diese abschreckende Wirkung auf die Ausübung der freien Meinungsäußerung in zukünftigen Fällen habe. Die Interessensabwägung des Gerichts fiel somit in diesem Fall zugunsten des Arbeitgebers aus.
(DAV, Europa im Überblick vom 14.05.2021 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)