02.10.2020

Arbeitsrecht, Meldung

Gleichstellung: Deutsche Einheit auch im Job?

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©Bartolomiej Pietrzyk/123rf.com

Frauen in West- wie in Ostdeutschland haben in Puncto Bildung, Erwerbstätigkeit und soziale Absicherung in den vergangenen Jahren gegenüber Männern aufholen können. Trotzdem gibt es beim Thema Gleichstellung weiterhin erhebliche Unterschiede zwischen Ost und West.

Bei zentralen Arbeitsmarkt-Größen wie der Erwerbsbeteiligung, der Arbeitszeit und dem Einkommen sind die Abstände zwischen Männern und Frauen im Osten spürbar kleiner, allerdings beim Einkommen auf insgesamt niedrigerem Niveau als im Westen. Und auch wenn die Gleichstellung in Ost- wie Westdeutschland vielfach vorangekommen ist, bleibt die durchschnittliche berufliche, wirtschaftliche und soziale Situation von Frauen in beiden Landesteilen weiterhin oft schlechter als die von Männern. Wo es Fortschritte gegeben hat und wo weniger, beleuchtet ein neuer Report des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

Mehr Frauen in West und Ost erwerbstätig

Die Auswertung im Vorfeld des 30. Jahrestags der Deutschen Einheit zeigt unter anderem:

Bei schulischer und beruflicher Qualifikation haben Frauen in beiden Landesteilen weitgehend mit den Männern gleichgezogen. Bei der Erwerbsbeteiligung zeigen sich dagegen trotz Annäherungen auch heute noch deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern und zwischen Ost- und Westdeutschland. So lag die Erwerbstätigenquote westdeutscher Frauen 2018 um gut acht Prozentpunkte unter der von westdeutschen Männern (71,6 % vs. 80 %). 1991 war die Differenz indes noch fast dreimal so groß. Auch die Erwerbstätigenquote von Frauen in Ostdeutschland ist mit aktuell 73,9 % höher als 1991, und der Abstand gegenüber ostdeutschen Männern von knapp 12 auf gut vier Prozentpunkte gesunken.

Gender-Pay-Gap im Osten viel kleiner – weil Männer weniger verdienen

Die Unterschiede bei Kinderbetreuung und Arbeitszeiten tragen, unter anderem wegen geringerer Karrieremöglichkeiten, wesentlich dazu bei, dass die Lohnlücke in Westdeutschland weiterhin deutlich höher ist als in Ostdeutschland. In Westdeutschland liegt der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen 21 % unter dem von Männern. Der Abstand ist dreimal so groß wie in Ostdeutschland. Allerdings spielt bei den geringeren Unterschieden im Osten ein weiterer Faktor eine erhebliche Rolle: die Stundenlöhne ostdeutscher Männer sind wesentlich niedriger als die von männlichen Beschäftigten im Westen.

Diese Diskrepanz zeigt sich auch bei der Einkommensverteilung. 26 % der vollzeitbeschäftigten westdeutschen Männer haben monatliche Bruttoeinkommen über 5000 Euro – der Anteil ist mehr als doppelt so hoch wie unter westdeutschen Frauen (12,7 %), ostdeutschen Männern (12,4 %) oder Frauen (9,3 %). Mit Niedrigeinkommen unter 2000 Euro monatlich für eine Vollzeitstelle müssen aktuell in Ostdeutschland zwar weniger Menschen auskommen als noch 2011, trotzdem ist der Anteil weiterhin deutlich höher als in den alten Bundesländern: Gut ein Viertel der ostdeutschen vollzeitbeschäftigten Frauen und ein Fünftel der Männer lagen 2018 unter dieser Einkommensgrenze. Im Westen waren es rund 19 % der weiblichen und acht Prozent der männlichen Vollzeitbeschäftigten.

Anteil der Frauen in Führungspositionen im Osten spürbar höher

Weiterhin Rückstände, die im Osten aber kleiner sind, beobachten WSI-Experten schließlich auch bei der Partizipation von Frauen an betrieblichen Führungspositionen – insbesondere auf den obersten Führungsetagen: Hier wird in Ostdeutschland nur eine von drei Stellen von einer Frau besetzt, in Westdeutschland sogar nur eine von vier. Der Anteil ist in den vergangenen 15 Jahren vor allem im Westen nur geringfügig gewachsen. Besser sieht es nach der WSI-Analyse auf der zweiten Führungsebene aus. Dort kommt der Frauenanteil in Westdeutschland mit 39 % dem Anteil an allen Beschäftigten (44 %) relativ nahe. In Ostdeutschland sind Frauen auf der zweiten Führungsebene sogar leicht überrepräsentiert (45 % vs. 44 %).

Empfehlungen für mehr Gleichstellung

Verpflichtende Vorgaben für Geschlechteranteile in Vorständen sind nach der WSI-Analyse ebenso notwendig wie ein erweiterter Geltungsbereich der Geschlechterquote in Aufsichtsräten. Diese greift bislang nämlich nur, wenn Unternehmen börsennotiert und zugleich paritätisch mitbestimmt sind. Um die Gleichstellung von Frauen und Männern auf breiter Linie wirksam zu fördern, empfiehlt das WSI u.a.:

  • Einen weiteren quantitativen und qualitativen Ausbau der institutionellen Betreuung von Kleinkindern.
  • Eine finanzielle Aufwertung von frauendominierten Berufen im Sozial-, Erziehungs- und Gesundheitsbereich, um diese für beide Geschlechter attraktiver zu machen.
  • Schaffung von Arbeitsplätzen in kurzer Vollzeit und Abkehr von der Vollzeit- bzw. Überstundenkultur. Voraussetzung dafür seien unter anderem eine ausreichende Personalbemessung, verbindliche Vertretungsregelungen und Beförderungskriterien, die sich nicht an der Präsenz am Arbeitsplatz bzw. Überstunden orientieren.
  • Abschaffung des Ehegattensplittings, das vor allem in Westdeutschland ökonomische Fehlanreize für Ehefrauen nach der Familiengründung setzt, dem Arbeitsmarkt fernzubleiben oder die Arbeitszeit deutlich zu reduzieren.

(Hans-Böckler-Stiftung, PM vom 15.09.2020/ Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)

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