14.09.2020

Meldung, Steuerrecht

Cum/Ex eventuell immer noch möglich

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Erstattungen von nicht gezahlter Kapitalertragssteuer durch sogenannte Cum/Ex- und Cum/Cum-Geschäfte sind nach Ansicht mehrerer Wissenschaftler trotz Gesetzesänderungen und Gerichtsurteilen auch heute noch möglich.

In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses unter Leitung der Vorsitzenden Katja Hessel (FDP) erklärte Professor Christoph Spengel (Universität Mannheim), dass diese Geschäfte seit Jahrzehnten trotz der Umstellung des Kapitalertragsteuerabzugsverfahrens bis heute am Markt durch gängige Gestaltungsmodelle anzutreffen sind. „Dem deutschen Staat entgehen jährlich Milliarden Euro an Kapitalertragsteuern beziehungsweise Kapitalertragsteuern werden erstattet, obwohl sie nicht vereinnahmt worden sind“, so Spengel. Er bezeichnete dies als „unerträglichen Zustand“ und forderte Cum/Ex- und Cum/Cum-Geschäfte endlich zu unterbinden.

Steuerskandale wie Cum/Ex verhindern

Grundlage der Anhörung waren zwei Anträge von Oppositionsfraktionen. Die Fraktion Die Linke verlangt Maßnahmen, um Steuerskandale wie Cum/Ex zukünftig zu verhindern. Dafür sei der Mechanismus zur Einbehaltung und Erstattung von Kapitalertragsteuer zu modernisieren. Weiter sei ein lückenloser datenbankgestützter Abgleich von Erstattungsanträgen mit tatsächlichen Steuerzahlungen einzuführen, heißt es im Antrag der Linksfraktion. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert die Bundesregierung auf, alle Geschäftsmodelle zu bekämpfen, bei denen der Ertrag allein in einem angestrebten Steuervorteil besteht.

Auch neue Cum/Ex-ähnliche Fälle müssten vermieden werden. Sämtliche früheren Cum/Ex-Fälle sollten aufgedeckt und verfolgt werden. Mit einem europaweiten Schaden von geschätzt 55 Milliarden Euro seien Cum/Ex- und Cum/Cum-Geschäfte „der größte Raubzug der Geschichte“, schreibt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in dem Antrag.

Problem: Ansprüche aus Doppelbesteuerungsabkommen

Nach Ansicht von Rechtsanwalt Alexander Heist, beauftragt von der „Bürgerbewegung Finanzwende“, erscheint es auch heute noch möglich, „dass so gut wie keine Kapitalertragsteuer auf Dividendenauszahlungen beim Fiskus ankommt“. Aufgrund von Ansprüchen aus Doppelbesteuerungsabkommen könne es darüber hinaus weiterhin zur mehrfachen Erstattung nicht gezahlter Steuer kommen. Trotz verschiedener Maßnahmen der Finanzverwaltung – wie zum Beispiel keine Steuererstattungen mehr an Briefkastenfirmen auszubezahlen – bestehe Anlass zu der Annahme, dass die Cum/Ex-Geschäfte mit veränderter Struktur bis zum heutigen Tage weiterlaufen würden. Der Journalist Oliver Schröhm berichtete von „Mutationen von Cum/Ex“, die weiterhin möglich seien.

Helmut Lotzgeselle, Vorsitzender Richter am Hessischen Finanzgericht, erläuterte mehrere Urteile zu Cum/Ex und Cum/Cum. Es bestehe dringender Handlungsbedarf für die Finanzverwaltung, die Cum/Cum-Geschäfte unter dem Gesichtspunkt des Gestaltungsmissbrauchs aufzugreifen, forderte Lotzgeselle in seiner Stellungnahme.

Jörg Klöckner vom Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung in Düsseldorf wies darauf hin, dass es weitere Cum/Ex-Verfahren geben werde. Er zeigte sich aber überzeugt, dass die Behörden am Ende erfolgreich arbeiten würden. Die umfassendsten Fälle sollten inzwischen aufgegriffen worden seien, hieß es vom Bundeszentralamt für Steuern auf Fragen nach drohender Verjährung.

Gesetzentwurf der Linken vom 10.09.2020

Die mögliche Verjährung von Steueransprüchen im Zusammenhang mit Cum/Ex-Fällen will die Fraktion Die Linke mit ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung erreichen. Darin wird erläutert, dass die Einführung des § 375a der Abgabenordnung im Zuge des zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes die Möglichkeit der strafrechtlichen Einziehung bei bereits verjährten Steueransprüchen verbessern sollte. Dies solle es Staatsanwaltschaften ermöglichen, die Erträge aus kriminellen Cum/Ex-Geschäften von Banken und anderen Beteiligten nach einer strafrechtlichen Verurteilung auch dann einzuziehen, wenn die steuerlichen Ansprüche bereits verjährt seien.

Zusätzlich sei auch ein neuer § 34 in Artikel 97 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung eingefügt worden. Diese Vorschrift regele den zeitlichen Anwendungsbereich des § 375a AO. Er legt fest, dass diese Vorschrift nur für Steueransprüche gelte, die am 01.07.2020 noch nicht verjährt waren. Hierdurch dürfte in den Fällen, in denen bis zu diesem Zeitpunkt eine steuerliche Verjährung bereits eingetreten sei, die Tatbeute auch im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung einbehalten werden. Dies kritisiert die Fraktion Die Linke. Daher soll der Artikel 97 § 34 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung aufgehoben werden.

(Dt. Bundestag, hib vom 09.09.2020 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)

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