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31.08.2017

Interview

Steuerliche Standortattraktivität als Investitionsentscheidung

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Der Betrieb

Digitale Geschäftsmodelle sind ein globaler Megatrend – und länderspezifische Steuern ein wesentlicher Standortfaktor für unternehmerische Investitionen. Im Steuerlichen Digitalisierungsindex 2017 analysieren Prof. Dr. Christoph Spengel, Inhaber des Lehrstuhls  für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Universität Mannheim und sein Team erstmals die relevanten steuerlichen Standortfaktoren für Investitionen in digitale Geschäftsmodelle. Wieso Deutschland dabei nicht besonders gut abschneidet, erklärt er in unserem Interview.

DB: Herr Professor Spengel, was war Ihre Motivation, Steuern als Standortfaktor für Investitionen in digitale Geschäftsmodelle zu untersuchen?

Prof. Dr. Christoph Spengel: „Die Digitalisierung der Wirtschaft ist in aller Munde und wird sowohl von führenden Ökonomen als auch in der Politik als Treiber von Wachstum und Wohlstand gesehen. Gleichzeitig wissen wir, dass Steuern einen maßgeblichen Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen hinsichtlich der Investitionsstandorte aber auch der Finanzierung oder der Allokation buchhalterischer Gewinne haben. Auch wenn noch keine empirischen Befunde vorliegen, liegt die Annahme nahe, dass Steuern als Standortfaktor auch einen Einfluss auf Investitionen und die Profitabilität digitaler Geschäftsmodelle haben. Vor diesem Hintergrund hat es sich mein Mannheimer Team zum Ziel gesetzt, die steuerlichen Standortfaktoren, die speziell für digitale Geschäftsmodelle relevant sind, erstmalig qualitativ darzustellen, einem Ländervergleich zu unterziehen und in Form objektiver Maßzahlen zur Bestimmung effektiver Steuerbelastungen für die Beurteilung der steuerlichen Attraktivität von Standorten aufzuarbeiten. Der steuerliche Digitalisierungsindex ist ein Novum – und wir sind stolz darauf, Urheber dieses Index zu sein.“

DB: Steuerliche Faktoren am Investitionsstandort sind also äußerst relevant…

Prof. Dr. Christoph Spengel: „Genau. Ergebnis unserer Geschäftsmodellanalyse ist, dass nach den aktuell geltenden Prinzipien im internationalen Steuerrecht die steuerlichen Rahmenbedingungen am Hauptstandort von herausragender Bedeutung sind. Als Hauptstandort verstehen wir den Standort, an dem strategische Entscheidungen getroffen werden, der Großteil der Belegschaft ansässig ist und Produkt- sowie Prozessinnovationen maßgeblich vorangetrieben werden. Praxisbeispiele lassen hierbei eine zunehmende Zentralisierung in Form sogenannter „Hubs“ erkennen. Gleichzeitig breiten sich die digitalen Geschäftsmodelle in dem Sinne dezentral aus, dass Konsumentenmärkte rund um den Globus bedient werden. Dort entstehen aber regelmäßig nur geringfügige steuerliche Anknüpfungspunkte. Dementsprechend sind die steuerlichen Rahmenbedingungen in ausländischen Absatzmärkten von untergeordneter Bedeutung. Als anschauliches Beispiel dienen hierbei US-amerikanische Digitalfirmen im B2C-Markt. Zwar werden in wichtigen Absatzmärkten wie zum Beispiel Deutschland oder Asien hohe Umsätze erzielt, doch fallen dort – auch ohne überbordende Steuerplanung – nur geringfügig steuerliche Gewinne an. Vielmehr sind ist die Wertschöpfungskette anders aufgebaut. Die steuerlich relevanten Standorte sind vielmehr das Silicon Valley oder bei entsprechender organisatorischer Ausgestaltung auch Irland.“

DB: Welche Unternehmensstandorte sind steuerlich besonders attraktiv und wieso?

Prof. Dr. Christoph Spengel: „Unangefochtener Spitzenreiter ist – für Experten wenig überraschend – Irland aufgrund seiner allgemein attraktiven steuerlichen Rahmenbedingungen. In der Studie schneiden aber vor allem Länder sehr gut ab, welche Sonderanreize für Investitionen in innovative Tätigkeiten bieten. Dies sind steuerliche Forschungs- und Entwicklungsanreize auf der einen Seite – vor allem tax credits – und sog. Innovationsboxen (reduzierte Steuersätze auf Einkommen aus immateriellen Werten, Anm. d. Red.) auf der anderen Seite. Aus diesem Grund gehören beispielsweise Italien, Ungarn und Belgien zur Spitzengruppe. Andere Industrienationen wie das Vereinigte Königreich, Portugal und Frankreich, die eher als Hochsteuerländer gelten, sind daher für digitale Geschäftsmodelle wesentlich attraktiver als für Investitionen in traditionelle Industrien. Belgien, Dänemark und Frankreich sind auch ohne die Berücksichtigung solcher Sonderanreize insbesondere für digitale Geschäftsmodelle attraktiv, da aufgrund großzügiger Regelungen zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage die Kapitalkosten sinken.“

DB: Und wie sieht die Lage in Deutschland aus?

Prof. Dr. Christoph Spengel: „Deutschland landet im Gesamtindex nur knapp vor den USA und Japan auf dem drittletzten Platz. Geschuldet ist dieses Ergebnis dem allgemein steuerlich unattraktiven Investitionsklima in Deutschland. Die relativ gesehen noch geringere Attraktivität in der digitalen Wirtschaft lässt sich damit begründen, dass viele im Steuerwettbewerb stehende Länder ihre Position aufgrund von Sonderanreizen für Forschung und Entwicklung oder großzügige Abschreibungsregeln für digitale Investitionsgüter wie Software und IT-Infrastruktur verbessern.

Es ist ein Fakt, dass das deutsche Steuersystem Investitionen in Forschung und Entwicklung behindert und hierfür auch keine spezifischen, steuerlichen Anreize setzt. Bekannte steuerliche Innovationshemmnisse in Deutschland sind die Diskriminierung der Eigenkapitalfinanzierung und die mangelhaften Verlustverrechnungsmöglichkeiten. Beides hält Start-Ups davon ab, sich in Deutschland anzusiedeln.“

DB: Welche steuerlichen Faktoren können die Standortattraktivität für digitale Geschäftsmodelle beeinflussen?

Prof. Dr. Christoph Spengel: „Für profitable Investitionen sind dies vor allem der allgemein gültige Gewinnsteuersatz, der beim Vorliegen einer Innovationsbox häufig deutlich unter dem europäischen Durchschnitt liegen kann. Außerdem tragen steuerliche Sonderanreize für Forschung- und Entwicklung zur Standortattraktivität bei, sofern die Aktivitäten digitaler Geschäftsmodelle, zum Beispiel Software- und Prozessentwicklung, von den Regelungen erfasst sind. Die Kapitalkosten, welche die Standortattraktivität für marginale Investitionen – und somit das Investitionsvolumen – ausdrücken, können deutlich sinken, wenn beispielsweise Investitionskosten für Software oder IT-Infrastruktur sofort oder in wenigen Veranlagungsperioden steuerlich geltend gemacht werden können.“

Vielen Dank für das Interview, Herr Professor Spengel.

Mehr zum Thema:

Den Steuerlichen Digitalisierungsindex 2017 finden sie in DER BETRIEB vom 23.06.2017, Heft 25, Seite 1397 – 1403 sowie online unter DB1240214.

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.

 


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