16.09.2019

Interview

Steuerfalle Mitarbeiterbeteiligungen

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Der Betrieb

Das Finanzgericht Düsseldorf hat entschieden, dass Arbeitnehmer, die ihre Mitarbeiterbeteiligungen verkaufen, für den Gewinn unter Umständen die Abgeltungsteuer anwenden können. Durch die zunehmende Verbreitung dieses Modells ergeben sich aus Unternehmensperspektive verschiedene Fragen. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht John Büttner von der Wirtschaftskanzlei FPS klärt auf.

DB: Herr Büttner, worum ging es in dem Urteil und wann können Arbeitnehmer, die ihre Mitarbeiterbeteiligungen verkaufen, die Abgeltungsteuer tatsächlich anwenden?

Büttner: „Im Streitfall musste das Finanzgericht darüber entscheiden, wann ein Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung einer Kapitalbeteiligung den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit oder den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen ist.  Der Kläger war ein angestellter Manager und erwarb im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogrammes eine Kapitalbeteiligung, die er später wieder gewinnbringend veräußerte.

Das beklagte Finanzamt sah den Erlös aus diesem Verkauf als Gegenleistung für seine individuelle Arbeitskraft an. Also ordnete es den Gewinn aus dem Verkauf den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit zu. Das wurde damit begründet, dass solche Anteile das Management langfristig an das Unternehmen binden sollten und außerdem der Veräußerungspreis von der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens abhängig gewesen sei.

Das sah der Kläger natürlich anders: Er war der Auffassung, dass eine eigenständige Sonderrechtsbeziehung vorliegen würde. Diese sei von dem Arbeitsverhältnis losgelöst und der Veräußerungserlös auf Basis dieser Sonderrechtsbeziehung geflossen. Deswegen sei der Erlös als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen und die Abgeltungsbesteuerung anzuwenden. Dieser Auffassung folgte letztlich auch das Finanzgericht Düsseldorf.

Daraus ergibt sich als erstes Fazit: Die Abgeltungsbesteuerung kann auch auf Zahlungen aus einem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm Anwendung finden, wenn eine solche Sonderrechtsbeziehung glaubhaft dargestellt werden kann. So kann sich für einen Arbeitnehmer mitunter ein deutlicher steuerlicher Vorteil ergeben.“

DB: Welche Auswirkungen hat das Urteil für Unternehmen?

Büttner: „Bei bestehenden Beteiligungsprogrammen würde es sich in meinen Augen anbieten, diese gegebenenfalls nochmals zu überprüfen. Bei künftig aufzulegenden Beteiligungsprogrammen stellt sich gerade auch nach diesem Urteil naturgemäß die Frage nach dem ‚wie‘.“

DB: Inwiefern?

Büttner: „Wenn das Programm darauf gerichtet sein soll, Unternehmensmitarbeitern den in der Regel günstigeren Steuersatz der Abgeltungsbesteuerung zu sichern, so wäre eine Sonderrechtsbeziehung Voraussetzung. Hauptproblem wäre dann aber, auf eine entsprechende ‚Loslösung‘ von dem Dienstverhältnis nach den Vorgaben der Rechtsprechung zu achten.

Für das Unternehmen wäre dann aber auch wichtig, sich die Frage zu stellen, inwieweit solche Mitarbeiterinteressen bei einer möglicherweise steuerlich effizienteren Struktur berücksichtigt werden können. Dabei kann ein gewisses Spannungsverhältnis zum Unternehmensinteresse nicht immer ausgeschlossen werden.“

DB: Welche steuerlichen Bedingungen gelten denn grundsätzlich für den Erwerb bzw. Verkauf von Mitarbeiterbeteiligungen?

Büttner: „Das kommt auf das jeweilige Mitarbeiterbeteiligungsmodell an. Die klassischen Mitarbeiterbeteiligungsmodelle sind regelmäßig die unentgeltliche oder verbilligte Gewährung von Geschäftsanteilen, die Ausgabe von Stock Options oder auch die Einräumung von sog. Stock Appreciation Rights. Daneben bestehen aber auch noch diverse andere Beteiligungsformen.

Die unentgeltliche oder verbilligte Einräumung von Geschäftsanteilen führt bereits zum Zeitpunkt der Übertragung zu – entsprechend zu versteuerndem – Arbeitslohn in Höhe der Differenz zwischen Bezugspreis und dem tatsächlichen inneren Wert der jeweiligen Geschäftsanteile. Dagegen ist die Gewährung von sog. Stock Options aus steuerlicher Sicht zunächst nur die Einräumung einer Chance. Ein lohnsteuerlich relevanter Vorteil in Gestalt eines Preisnachlasses fließt dem Optionsberechtigten nämlich erst mit der Ausübung der Option durch den verbilligten Erwerb der Anteile zu. Ähnlich verhält es sich bei Zahlungen auf Stock Appreciation Rights. Diese führen in der Regel gleichfalls zu Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit, allerdings nicht bei der Einräumung, sondern erst dann, wenn tatsächlich Zahlungen geleistet werden.

Welche Einkunftsart bei Veräußerung der jeweiligen Beteiligungsform vorliegt, hängt letztlich von der jeweiligen Ausgestaltung des Beteiligungsprogrammes ab, wie auch das Urteil des Finanzgerichts nochmals gezeigt hat.“

DB: Was gilt beim Erwerb von Mitarbeiterbeteiligungen, wenn der Arbeitnehmer beim Verkauf von der niedrigeren Abgeltungssteuer profitieren möchte?

Büttner: „Zieht man die Rechtsprechung des BFH sowie des FG Düsseldorf heran, so ist eine Sonderrechtsbeziehung notwendig. Es wäre also mindestens darauf zu achten, dass der Arbeitnehmer die jeweilige Mitarbeiterbeteiligung zu angemessenen Preisen erhält und ggf. auch wieder veräußert oder – wie zum Beispiel bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen – eine Verzinsung zu marktüblichen Konditionen erfolgt. Unproblematisch für die Sonderrechtsbeziehung sollte es auch sein, wenn das Beteiligungsprogramm nur einem bestimmten Personenkreis angeboten wird.

In meinen Augen ist es aber ratsam, das Beteiligungsprogramm separat von einem Anstellungsvertrag zu vereinbaren. Es ist ebenfalls wichtig, dass eine Verfallklausel, nach der eine Teilnahme an dem Beteiligungsprogramm nur bei Fortbestand des Dienstverhältnisses möglich ist, möglichst nicht in den Bedingungen enthalten sein sollte. Denn das wird regelmäßig als Indiz für eine enge wirtschaftliche Verknüpfung mit dem Dienstverhältnis gesehen und kann deswegen für eine Anwendung der Abgeltungsbesteuerung schädlich sein.“

DB: Wo liegen die typischen steuerlichen Probleme dieses Modells für Unternehmen?

Büttner: „Generell sollte darauf geachtet werden, dass sich das Beteiligungsprogramm möglichst weitgehend an den Rechtsprechungsgrundsätzen orientiert. Ansonsten droht eine Einordnung der Erträge als Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Abgesehen davon, dass der Arbeitgeber für Zwecke des Lohnsteuerabzugs abführungsverpflichtet ist, spielen aber nicht nur steuerliche Gesichtspunkte eine Rolle. Denn die wirtschaftlichen Beiträge, die im Rahmen des Beteiligungsmodells durch Mitarbeiter geleistet werden, können beim Unternehmen steuerlich aber auch handelsrechtlich als Eigen- oder Fremdkapital in der Bilanz gezeigt werden. Das wiederum kann für die Bonität und die Kreditfähigkeit des Unternehmens von großer Bedeutung sein.

Hinzu kommt als weiterer Aspekt, dass bei Mitarbeiterbeteiligungsmodellen auch gesellschaftsrechtliche Erwägungen eine Rolle spielen. So sollte man unternehmensseitig auch eventuelle Kontroll- bzw. Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer im Blick haben, denn diese sind ja nicht immer gewollt. Es lohnt sich also gerade auch vor diesem Hintergrund, die Wahl eines Beteiligungsprogrammes sorgfältig vorzunehmen und dafür nicht nur die Besteuerungsebene des Mitarbeiters ins Auge zu fassen.“

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.


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