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08.08.2019

Interview

Social Media: Kommunikation mit dem Kapitalmarkt erwünscht

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Der Betrieb

Soziale Medien wie Twitter, Facebook und Instagram haben längst den unternehmerischen Alltag erreicht. Ein einzelner „Post“ kann dabei bereits erheblichen Einfluss auf den Kapitalmarkt haben. Zwar gibt es keine rechtliche Anerkennung der Sozialen Medien als Informationskanal für Pflichtpublikationen. Warum ihr Einsatz in der Finanzkommunikation dennoch vorteilhaft ist und wie Unternehmen die zahlreichen Vorteile ausschöpfen können, erklären Prof. Dr. Henning Zülch und Maria Gebhardt, M.Sc.

DB: Herr Professor Zülch, in den USA hat der Netflix-Fall für Aufsehen und eine große Veränderung gesorgt – was war da los?

Zülch: „Nach einem optimistischen Facebook-Post und einer Gewinnbekanntgabe stieg der Aktienkurs von Netflix um ca. 15 %. Der CEO berichtete auf seiner Facebook-Seite über die gestiegene Abonnentenzahl und zeigte sich zuversichtlich, diese mithilfe des Starts zweier neuer Serien weiter zu erhöhen. Diese Vorkommnisse veranlassten die SEC, sich näher mit der Kapitalmarktkommunikation über soziale Medien auseinanderzusetzen. Ziel der Betrachtung war insbesondere die Klärung, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine rechtskonforme Kommunikation mit dem Kapitalmarkt gewährleistet ist. Am 02.04.2013 veröffentlichte die SEC sodann ihren Bericht und stimmte der Nutzung sozialer Medien für die Kapitalmarktkommunikation unter bestimmten Anforderungen zu. Ihre Entscheidung begründete die SEC unter anderem damit, dass Investoren für ihre Entscheidungen mit zeitnahen Informationen versorgt werden müssen und dies mithilfe sozialer Plattformen gewährleistet werden kann.“

DB: Soziale Plattformen dürfen in Deutschland aber lediglich im Zusammenhang mit einer freiwilligen Offenlegung eingesetzt werden, da sie nicht alle Voraussetzungen gemäß der Wertpapierhandelsanzeigeverordnung (WpAV) erfüllen. Denken Sie, dass der Gesetzgeber hier etwas verändern wird?

Zülch: „In der Tat besteht Handlungsbedarf seitens der deutschen Gesetzgebung. Ob sich jedoch etwas ändern wird, ist unklar. Im Vergleich zum deutschen Gesetzgeber steht die SEC neu aufkommenden Kommunikationskanälen aufgeschlossen gegenüber und versucht, Unternehmen überdies zu bestärken, diese zu nutzen. Im Gegensatz zur deutschen Gesetzgebung ist die Erfüllung der Offenlegungspflicht in den USA nicht an bestimmte Kommunikationskanäle geknüpft. Aus Sicht der SEC ist eine Offenlegung regelkonform, wenn sie der breiten Öffentlichkeit zugänglich ist und niemanden ausschließt. Besonders im Hinblick auf den Bedarf an zeitnahen Informationen sollten die Regelungen bezüglich des Einsatzes sozialer Medien in der Kapitalmarktkommunikation überarbeitet werden.“

DB: Warum ist es trotz der in Deutschland rechtlich fehlenden Anerkennung als Informationskanal für Pflichtveröffentlichungen für Unternehmen vorteilhaft, soziale Medien in ihre Kommunikation mit dem Finanzmarkt einzubeziehen?

Zülch: „Für Unternehmen ist die Nutzung aus mehreren Gesichtspunkten lohnenswert. Zum einen kann eine Vielzahl an Menschen auf der ganzen Welt erreicht werden. Vor dem Hintergrund der Zeitnähe ist zu nennen, dass Informationen eminent schnell verbreitet werden können. Weiterhin können durch die Präsenz in sozialen Medien die Beziehung zu Investoren und infolgedessen das Vertrauen sowie die Glaubwürdigkeit gestärkt werden, da sich der direkte Kontakt mit den Unternehmen aufgrund der zunehmenden Nutzung sowie der Anwesenheit auf sozialen Plattformen leichter gestaltet. Damit ist gemeint, dass der ohnehin stattfindende Informationsaustausch mit Freunden, Familienmitgliedern, Bekannten und sonstigen sozialen Kontakten gleichzeitig mit der Kommunikation oder Informationsbeschaffung in Bezug auf Unternehmen verbunden werden kann.

Auch das Interesse der Forschung wurde geweckt und so beschäftigen sich Studien z. B. mit der Beeinflussung des Kapitalmarkts durch soziale Medien. Bezüglich der Auswirkungen auf die Informationseffizienz von Aktienkursen wurde festgestellt, dass Unternehmen mithilfe sozialer Netzwerke die Informationseffizienz der Kurse steigern, die Handelskosten reduzieren und folglich die Liquidität in Bezug auf die jeweilige Aktie erhöhen können. Diese Effekte sind auf grundlegende finanzmarkttheoretische Zusammenhänge zurückzuführen. Je mehr Informationen in den Kursen verarbeitet sind, desto geringer ist das Risiko des Investors, einem Informationsrückstand zu unterliegen. Geringe Informationsasymmetrien bewirken, dass Anbieter von Liquidität ihre Geld-/Brief-Spanne reduzieren. Dies induziert gleichzeitig eine Reduktion der Transaktionskosten aller Teilnehmer am Markt. Folglich führt eine hohe Informationseffizienz zu hoher Liquidität und geringen Handelskosten. Eine 2014 durchgeführte empirische Untersuchung betrachtete hierzu beispielsweise Technologieunternehmen, welche einen aktiven Twitter-Account haben und diesen zum Versand von Links nutzten. Bei den verlinkten Mitteilungen handelte es sich jedoch nicht um neue Informationen, sondern um bereits über ein traditionelles Medium veröffentlichte Nachrichten. Trotzdem konnte eine Reduktion der Geld-/Brief-Spanne bezüglich der Unternehmensaktie beobachtet werden. Dies lässt sich mit dem Abbau von Informationsasymmetrien unter den Informationsinteressenten respektive deren verbesserte Gleichbehandlung infolge der breiteren Informationsstreuung begründen.“

DB: Da Sie gerade diverse Studien erwähnten – einige widmen sich ja auch der Frage, inwieweit soziale Medien für Vorhersagen, z.B. in Bezug auf Eigenkapitalwert oder Kurs- und Gewinnentwicklungen genutzt werden können. Ist Twitter also ein brauchbarer Indikator?

Gebhardt: „In der Tat widmen sich andere Studien wiederum der Thematik, inwieweit soziale Medien für Vorhersagen genutzt werden können. Anhand ausgewählter Plattformen konnte festgestellt werden, dass sich diese als brauchbare Indikatoren erweisen können. In einer 2012 durchgeführten Befragung äußerten Führungskräfte, dass ihr Unternehmen aufgrund einer starken Präsenz in sozialen Netzwerken eine viermal höhere Kapitalrendite gegenüber ihren Mitstreitern mit einer geringeren oder keiner Nutzung sozialer Medien erzielte. Die Untersuchungen zeigen, dass die Nutzung sozialer Medien Einfluss auf das Unternehmensumfeld hat und es prekär ist, die Thematik der sozialen Medien unbeachtet zu lassen.“

DB: Wie sieht die Nutzung in den DAX-30-Unternehmen aus?

Gebhardt: „Die Nutzung sozialer Medien für die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt diente in jüngster Vergangenheit zunehmend als Forschungsobjekt ökonomischer Betrachtungen. Im Jahr 2017 untersuchte FTI Consulting zum ersten Mal die DAX-30-Unternehmen bezüglich der Veröffentlichung ihrer Jahresergebnisse über soziale Medien und veröffentlichte die diesbezüglichen Erkenntnisse unter der Bezeichnung ‚SOCIAL DAX‘. Im aktuellen Jahr wurde die Studie zum dritten Mal durchgeführt und die Kommunikation der Jahresergebnisse 2018 analysiert. Neben den Plattformen Facebook, LinkedIn und Twitter wurde dieses Jahr erstmals Instagram in die Betrachtungen mit einbezogen. Die Unternehmen werden in der Studie anhand der Kriterien Engagement, Qualität und Volumen gerankt. Twitter ist zum dritten Mal in Folge die meist genutzte Plattform. Daimler führt zum zweiten Mal in Folge das Unternehmensranking an. Die Unternehmen Siemens und Allianz belegten in allen drei Jahren einen Top-10-Platz. In Bezug auf die Qualität ist zu beobachten, dass die Inhalte zunehmend nicht nur adressatengerecht gestaltet, sondern vielmehr auf den jeweiligen Kanal abgestimmt werden. Weiterhin werden zur Veranschaulichung der Informationen verschiedenste Formate eingesetzt.“

DB: Welchen Rat geben Sie also Unternehmen zur Verwendung sozialer Plattformen? Wo fängt man am besten an?

Zülch: „Generell sollten Unternehmen sowohl bei der Zahl der genutzten Plattformen als auch bei den Posts ihren Schwerpunkt auf Qualität und nicht auf Quantität legen. Eine adressaten- und plattformgerechte Gestaltung ist von enormer Bedeutung. Eine Vielzahl an Gestaltungsmitteln nutzen Unternehmen bereits in Bereichen wie dem Marketing und dem Reputationsmanagement. Folglich ist lediglich eine Übertragung auf die Finanzkommunikation notwendig. Weiterhin sollte die Auswahl der sozialen Plattformen unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten dieser Plattformen erfolgen, um deren jeweilige Vorteile zu nutzen. Inhaltlich sollte neben Posts zu Finanzdaten auch an Beiträge über den Unternehmensalltag oder beispielsweise die Vorbereitungen der Hauptversammlung nachgedacht werden. Diese können dazu führen, dass das Management menschlich und authentisch wirkt. Außerdem sollten Unternehmen regelmäßig überprüfen, wie sich der Markt entwickelt und welche Gestaltungsmöglichkeiten übernommen werden können. Im Hinblick auf eine konsistente Finanzmarktkommunikation sollte im Unternehmen Klarheit über die Verantwortlichkeit für die Pflege der sozialen Kanäle herrschen.“

DB: Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.

 

Mehr zum Thema

Die vollständige Studie zum Download: https://fticommunications.com/wp-content/uploads/2019/05/FTI_Report_Dax19_forWebsite.pdf

Mehr zu den Experten

Henning Zülch ist Professor für Accounting and Auditing an der renommierten HHL Leipzig Graduate School of Management. Er ist Verfasser von über 300 Zeitschriftenbeiträgen zu Themen der Internationalen Rechnungslegung und Finanzkommunikation. Zudem ist er wissenschaftlicher Direktor des jährlich vom manager magazin ausgerichteten Wettbewerbs „Investors‘ Darling“ (http://kapitalmarkt-forschung.info/#ric).

Maria Gebhardt ist Research Associate am Chair of Accounting and Auditing an der HHL Leipzig Graduate School of Management. Weiterhin ist sie für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers im Bereich Capital Markets & Accounting Advisory Services tätig.


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