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31.08.2020

Interview

JStG 2020: Änderung der Abgabenordnung sorgt für Unmut

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Der Betrieb

Das Bundesfinanzministerium hat am 17.07.2020 den Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2020 veröffentlicht. Bis Mitte August fand die Verbändeanhörung statt, die einige harsche Kritik zu Tage brachte. Ob das JStG 2020 sinnvolle Verbesserungen enthält oder nur für mehr Steuereinnahmen und Bürokratie sorgt, beleuchtet Steuerberaterin Dr. Katrin Dorn, Möhrle Happ Luther, Hamburg.

DB: Frau Dr. Dorn, können Sie uns bitte kurz die wichtigsten Eckpunkte des JStG 2020 zusammenfassen?

Dorn: „Als wichtigste Eckpunkte benennt das BMF die zielgenauere Ausgestaltung der Investitionsabzugsbeträge des § 7g EStG, die Erweiterung der steuerrechtlichen Berücksichtigung von Aufwendungen bei der verbilligten Wohnraumvermietung (§ 21 Abs. 2 Satz 1 EStG), die Einführung eines Datenaustauschs zwischen den Unternehmen der privaten Krankenversicherung, der Finanzverwaltung und den Arbeitgebern, der im LSt-Abzugsverfahren die bestehenden Verfahren mittels Papierbescheinigungen vollständig ersetzen soll (§§ 39 ff. EStG) und die Umsetzung der zweiten Stufe des sog. Mehrwertsteuer-Digitalpakets sowie die Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG (Reverse-Charge-Verfahren) auf Telekommunikationsdienstleistungen an sog. Wiederverkäufer.

Daneben enthält der Referentenentwurf zahlreiche weitere gesetzliche Änderungen verschiedener Steuergesetze (EStG, AO, ErbStG, GewStG). Diese sind u. a. eine Reaktion auf die Rechtsprechung des BFH und EuGH, aber auch Reaktionen auf die Corona-Pandemie oder Folgewirkungen weiterer Änderungen, wie z. B. des Brexits.“

DB: Werden die Erleichterungen beim Investitionsabzugsbetrag nach § 7g denn von allen Seiten begrüßt?

Dorn: „Der Referentenentwurf sieht eine einheitliche Gewinngrenze i. H. v. 125.000 Euro für alle Einkunftsarten unabhängig von der Gewinnermittlungsart vor. Bislang lag die zu bilanzierende Steuerpflicht bei maximal 235.000 Euro Betriebsvermögen, bei Betrieben der Land und Forstwirtschaft ein Wirtschafts- oder Ersatzwirtschaftswert von höchstens 125.000 Euro und Betriebe mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG maximal 100.000 Euro Gewinn. Dies bedeutet im Ergebnis für einige Steuerpflichtige eine Verbesserung, für andere eine Verschlechterung.

Dementsprechend werden die Änderungen natürlich nicht von allen Seiten begrüßt. Positiv zu bewerten ist jedoch die Erhöhung des Abzugsbetrags von 40 auf 50 % und dass dieser zukünftig für Wirtschaftsgüter in Anspruch genommen werden soll, die „zu mehr als 50 %“ im Betrieb genutzt werden. Bislang ist eine „ausschließliche oder fast ausschließliche Nutzung“ – also mindestens 90 % –Voraussetzung.

Nachteilig kann in Einzelfällen zudem die geplante verfahrensrechtliche Änderung sein, nach welcher es nicht mehr möglich sein soll, den Investitionsabzugsbetrag nach der Unanfechtbarkeit der erstmaligen Steuerfestsetzung oder gesonderten Feststellung (Ablauf der Einspruchsfrist nach § 355 AO) in Anspruch zu nehmen.“

DB: Hintergrund für die Neuregelung des Zusätzlichkeitskriteriums lohnsteuerlicher Begünstigungsnormen ist die BFH-Rechtsprechung. Worum ging es in den Streitfällen und weshalb macht die Neuregelung Sinn?

Dorn: „Im Mittelpunkt dieser Verfahren vor dem BFH stand die Frage, wann der Arbeitgeber eine Leistung an seinen Arbeitnehmer „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbringt. Diese Beurteilung ist entscheidend für die steuerliche Behandlung der erhaltenen Leistung, z. B. ob ein steuerfreier Kindergartenzuschuss nach § 3 Nr. 33 EStG vorliegt oder nicht. Dabei hat der BFH mit den Urteilen vom 01.08.2019 seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Er entschied, dass die genannte Voraussetzung vorliegt, wenn der verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten der verwendungs- oder zweckgebundenen Leistung des Arbeitsgebers arbeitsrechtlich wirksam herabgesetzt wird. Damit könnte z. B. auch durch eine Gehaltsumwandlung der steuerfreie Kindergartenzuschuss in Anspruch genommen werden (Absenkung des Gehalts und Vereinbarung eines Kindergartenzuschusses).

Mit der gesetzlichen Neuregelung des § 8 Abs. 4 EStG-E möchte der Gesetzgeber zur bisherigen Rechtslage – also vor Änderung der Rechtsprechung des BFH – zurückkehren. Insoweit macht die gesetzliche Änderung Sinn. Danach soll das genannte Kriterium „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ im Falle einer Gehaltsumwandlung nicht mehr erfüllt sein.“

DB: Die größte Kritik gilt der Änderung von § 147b der Abgabenordnung. Gleich acht Wirtschaftsverbände, darunter DIHK und BDI, fürchten Umstellungskosten durch das JStG 2020 in Milliardenhöhe. Worum geht es und sehen Sie die Kritik als berechtigt an?

Dorn: „§ 147b AO-E soll es dem BMF ermöglichen, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates eine einheitliche digitale Schnittstelle und Datensatzbeschreibung für den standardisierten Export und die standardisierte Speicherung von Daten festzulegen, die nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren und mit einem Datenverarbeitungssystem erstellt worden sind. Dies begründet das BMF damit, dass die unterschiedliche Ausgestaltung der Datenspeicherung bislang für die Finanzverwaltung hinsichtlich des Einlesens der Daten sowie deren Verarbeitung und Überprüfung sehr arbeitsaufwendig ist. Dies wird durch eine Vereinheitlichung erheblich erleichtert.

Die Verbände befürchten nach Aussage der FAZ, dass das BMF den Unternehmen damit in Zukunft vorschreibt, wie sie künftig ihre digitale Buchhaltung gestalten sollen. Zudem befürchten sie erhebliche Umstellungskosten. Dementsprechend haben sie in einer gemeinsamen Stellungnahme zum JStG 2020 dem Ministerium „dringend“ angeraten, von dem Vorhaben in seiner jetzigen Form Abstand zu nehmen. Hierbei sollten auch die Erfahrungen mit der Änderung der Umsatzsteuersätze für sechs Monate berücksichtigt werden, da den hierdurch verursachten positiven Effekten erhebliche – wahrscheinlich höhere – Umstellungskosten auf Seiten der Unternehmen gegenüber stehen.

Im Falle des § 147b AO-E kommt noch hinzu, dass nicht erkennbar ist, auf welche Schnittstellen und Datensatzarten die Unternehmen sich einstellen müssen. Da die Steuererhebung Ländersache ist, müssten zuerst einmal alle Bundesländer sich auf eine Schnittstelle einigen, ehe man Vorgaben für die Steuerpflichtigen trifft. Im Ergebnis ist die Kritik der Verbände also durchaus gerechtfertigt.“

DB: Der Bitkom lehnt den Vorschlag ab, das Reverse Charge Verfahren für Telekommunikations-dienstleistungen einzuführen (§ 13b UStG-E). Dies würde zu immensem Schaden für eine ganze Branche führen. Stimmt das?

Dorn: „Ziel der Neuregelung ist ausweislich der Begründung des Referentenentwurfs die Vermeidung von Steuerausfällen, die entstehen, wenn Telekommunikationsleistungen in Rechnung gestellt werden, der Empfänger der Leistung die Vorsteuer abzieht, aber der Leistungserbringer die Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abführt. Durch eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers wird dies verhindert. Für die betroffenen Wiederverkäufer bedeutet dies selbstverständlich einen enormen Aufwand für die gesamte Branche, weil der Begriff der „Telekommunikationsdienstleistungen“ zahlreiche Leistungen erfasst.

Das Bestreben der Finanzverwaltung, die Erhebung der Umsatzsteuer für weiterübertragene Telekommunikationsleistungen durch das Reverse-Charge-Verfahren abzusichern, ist sicherlich gerechtfertigt. Grundsätzlich ist auch die in § 13b UStG-E vorgesehene Methode des Wechsels der Steuerschuldnerschaft dafür geeignet. Die Aussage des Bitkom, dass dies zu einem immensen Schaden für die Branche führt, ist sehr allgemein gehalten und in dieser Allgemeinheit nicht nachzuvollziehen.
Allerdings ist den Wirtschaftsverbänden in ihrer Stellungnahme vom 14.08.2020  zuzustimmen, dass der vorgelegte Gesetzeswortlaut konkreter die Art der Dienstleistungen beschreiben sollte und insbesondere die Frage  klären müsste, ob Bearbeitungen bzw. Ergänzungen der eingekauften Dienstleistung vor dem Weiterverkauf die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens unbeeinträchtigt lässt oder ob dann die wieder die  normale Regelung mit Steuerpflicht des übertragenden Unternehmers gilt.“

DB: § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG soll in Zukunft auch sonstige Kapitalforderungen jeder Art erfassen, deren Einlösung auf eine Sachleistung gerichtet ist. Die Deutsche Börse sowie die Börse Stuttgart sprechen sich vehement gegen die geplante Steuerpflicht im Hinblick auf Gold und Edelmetall-Wertpapiere aus. Worum geht es dabei konkret?

Dorn: „Mit der gesetzlichen Anpassung von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG möchte der Gesetzgeber letztlich eine Besteuerungslücke schließen, die besteht, weil die Einlösung von Forderungen, die auf eine Sachleistung gerichtet sind, nach Rechtsprechung des BFH nicht unter § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG fallen. Ohne gesetzliche Anpassung würden diese nicht der Besteuerung unterfallen, weil die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG bislang lediglich Forderungen erfasst, die auf Rückzahlung eines Geldbetrags gerichtet sind. Dass die Deutsche Börse und die Börse Stuttgart diese Änderung nicht begrüßen, ist selbstverständlich. Denn durch eine Steuerpflicht dieser Erträge werden diese Finanzprodukte natürlich weniger attraktiv für die Anleger.“

DB: Faktisch trifft dies aber auch die Kleinanleger, die in Form von Sachwerten in ihre Altersvorsorge investieren wollen. Gibt es zu der geplanten Regelung keine sinnvollen Alternativen?

Dorn: „Ja, sicherlich betrifft diese Änderung vor allem die Kleinanleger. Letztlich müssen diese ihre Erträge auf den Finanzprodukten besteuern, wie andere Anleger ihre Zinsen und Dividenden auch. Dies ist in Anbetracht der Einführung der Abgeltungsteuer auch konsequent. Insoweit dürfte es zu einer Besteuerung mit der Abgeltungsteuer und einer Nichtbesteuerung keine sinnvollen Alternativen geben.“

DB: Ihr Fazit: Bringt das JStG 2020 sinnvolle Verbesserungen oder sorgt das JStG nur für mehr Steuereinnahmen und Bürokratie?

Dorn: „Das JStG 2020 enthält zahlreiche Maßnahmen, die unterschiedlich zu beurteilen sind. Während einzelne Maßnahmen für die Steuerpflichtigen vorteilhaft sein können, z. B. Investitionsabzugsbetrag, Änderung in § 21 Abs. 2 EStG, Erhöhung Freigrenze in § 8 Nr. 1 GewStG und Anrechnung der Gewerbesteuer, können andere durchaus nachteilig für den Steuerpflichtig bzw. die betroffenen Unternehmen sein – beispielsweise die Einführung der Steuerpflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG oder die Änderung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG.

Dabei ist es stets unerfreulich, wenn der Gesetzgeber auf für den Steuerpflichtigen günstige Rechtsprechung des BFH mit einer gesetzlichen Änderung reagiert, welche diese Wirkung beseitigt. Ob das JStG 2020 im Ergebnis für mehr oder weniger Steuereinnahmen und Bürokratie sorgt, bleibt sicherlich aufgrund des vielfältigen Maßnahmenpakets abzuwarten. Eine einfache Antwort auf die von ihnen gestellte Frage verbietet sich daher aus den vorgenannten Gründen. Wie immer bei derartigen „Artikel-Gesetzen“ muss man jede einzelne Gesetzesänderung für sich beurteilen. Die Einführung des § 147b AO-E mit dem bisher geplanten Text würde allerdings zu nicht überblickbaren Folgemaßnahmen und sogar zu Wettbewerbsverzerrungen führen können. Diese Regelung, insbesondere das zeitliche Inkrafttreten, sollte daher noch einmal gründlich überprüft werden.“

Vielen Dank für das Interview, Frau Dr. Dorn!

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.


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