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27.09.2019

Interview

Jahresfinanzberichterstattung: Hohe Erwartungen an das ESEF

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©Egor/fotolia.com

Bei der Überarbeitung der Transparenzrichtlinie wurde auch die Pflicht zur Jahresfinanzberichterstattung in einem in Europa einheitlichen elektronischen Format (ESEF) geschaffen. Wie diese europäischen Vorgaben aussehen und was eine Jahresfinanzberichterstattung in einem auf europäischer Ebene vereinheitlichten elektronischen Format für die berichtspflichtigen Wertpapieremittenten und auch für weitere Kapitalmarktteilnehmer bedeutet, erklärt Dr. Nina Kumm, LL.M.. Die Juristin ist Referentin im Bereich Bilanzkontrolle und Transparenzpflichten von Emittenten in der BaFin, Frankfurt/M. Sie stellt hier ihre persönliche Auffassung und nicht die offizielle Meinung der BaFin dar.

DB: Frau Dr. Kumm, noch bevor die ersten Wertpapieremittenten ihre Berichte im neuen Format zugänglich machen müssen, scheint das Thema ESEF schon jetzt von herausragender Bedeutung. Wieso?

Kumm: „Die besondere Tragweite lässt sich mit den hohen Erwartungen an die praktischen Auswirkungen der Neuerung erklären. So sieht etwa der europäische Gesetzgeber, auf den die neue Formatvorgabe zurückgeht, großen Nutzen für viele verschiedene Unternehmens- und Personengruppen voraus:

Für Emittenten soll es leichter werden, Berichte zu erstellen. Diese zu vergleichen und auszuwerten, soll wiederum für die Adressaten der Berichte, allen voran Analysten, einfacher werden.

Insbesondere seitens der Emittenten wird die Neuerung aber teilweise auch mit Besorgnis betrachtet. Hintergrund dürfte hier sein, dass die Jahresfinanzberichterstattung im neuen Format zur Änderung etablierter Prozesse führen kann. Allerdings werden die Vorteile einer digitalen Berichterstattung seit Langem auch im Bereich der Rechnungslegung genutzt. Beispielsweise ist es in Deutschland inzwischen üblich, so genannte E-Bilanzen an die Finanzbehörden zu übermitteln. Außerdem gibt es in den letzten Jahren in Sachen Digitalisierung allgemein allerhand Bewegung – hier reiht sich das Thema „European Single Electronic Format – ESEF“ ein.“

DB: Was ist denn so neu am einheitlichen europäischen elektronischen Berichtsformat?

Kumm: „Jahresfinanzberichte sind zukünftig ausschließlich im elektronischen XHTML-Format möglich. Dieses Format ist also nicht nur auf Abschlüsse, sondern beispielsweise auch auf Konzernlageberichte anzuwenden. Die Berichte sind damit zwar insgesamt ohne zusätzliche Hilfsmittel lesbar. Eine maschinelle Auslesbarkeit ist allerdings nicht ohne weiteres möglich.

Sofern Jahresfinanzberichte konsolidierte Abschlüsse nach IFRS enthalten, müssen diese daher weiter ausgezeichnet werden – das soll sie wie beschrieben leichter auswertbar machen. Inhaltlich wird das Format demgegenüber nichts Neues bringen.“

DB: Was versteht man unter der Pflicht zur Auszeichnung von IFRS-Konzernabschlüssen?

Kumm: „Vereinfacht ausgedrückt bedeutet Auszeichnen, bestimmte Angaben in den Abschlüssen mit einer Art Etikett zu versehen. Jede Auszeichnung enthält Informationen, die immer in die gleichen Kategorien unterteilt und maschinell auslesbar sind. Dadurch treten sprachliche Bezeichnungen und die Verortung von Informationen im Abschluss in den Hintergrund – die Informationen werden allein durch ihre Etikettierung erkenn- und damit letztlich vergleichbar.

Entsprechend aufzubereiten sind zunächst die primären Bestandteile von IFRS-Konzernabschlüssen, also insbesondere Konzernbilanzen und Konzerngesamtergebnisrechnungen. Auszuzeichnen sind außerdem auch die so genannten Basisinformationen. Das sind allgemeine Unternehmensinformationen wie beispielsweise der Name des berichtenden Emittenten und seine Rechtsform.

Erst zu einem späteren Zeitpunkt wird die Pflicht zur Auszeichnung auch auf Angaben im Konzernanhang ausgeweitet; als weitere Erleichterung wird die Auszeichnung hier blockweise erfolgen können. Alle Auszeichnungen erfolgen in der Auszeichnungssprache XBRL und einer auf europäischer Ebene festgelegten Taxonomie. Denn eine Vergleichbarkeit kann nur erreicht werden, wenn dieselben Etiketten verwendet werden. In die im XHTML-Format erstellten Jahresfinanzberichte einzubetten sind alle Auszeichnungen im Übrigen unter Anwendung der Inline XBRL-Technologie.“

DB: Und was bedeuten diese Auszeichnungen dann in der Praxis?

Kumm: „Die Auszeichnungen führen dazu, dass insbesondere IFRS-Konzernabschlüsse maschinell auslesbar werden. Durch die Verwendung von Inline XBRL sind sie im Ergebnis aber auch weiterhin für jedermann lesbar.“

DB: Werden die europäischen Vorgaben zur Unternehmensberichterstattung im Hinblick auf die voranschreitende Digitalisierung ihrem Zweck gerecht?

Kumm: „Ob der Grundsatz der periodischen Finanzberichterstattung in einem europaweit einheitlichen elektronischen Format schon bald auf eine nächste Stufe gestellt werden wird, bleibt abzuwarten. Denkbar wäre beispielsweise eine Ausweitung des Formats auf die unterjährige Berichterstattung – sie ist im Moment noch nicht von den Vorgaben zur Digitalisierung erfasst.

Weitere Maßnahmen wird die Europäische Kommission möglicherweise nach der Eignungsprüfung des EU-Vorschriftenrahmens im Bereich der Unternehmensberichterstattung ergreifen. Anlegerschutz und Markteffizienz dürften jedenfalls gestärkt werden, wenn der EU-weite Zugang zu Informationen durch die Verwendung moderner Technologien erleichtert wird. Diese Ansicht haben auch die von der Kommission Befragten zum Ausdruck gebracht.

Ob es bei ESEF schon bald zu einer Fortentwicklung der europäischen Vorgaben kommen wird, dürfte allerdings maßgeblich davon abhängen, welche Erfahrungen alle – sei es unmittelbar oder indirekt – Betroffenen mit der jetzt kommenden Jahresfinanzberichterstattung im einheitlichen elektronischen Format machen werden.“

DB: Welche Rolle spielt das einheitliche elektronische Format für deutsche Unternehmen?

Kumm: „Für die deutsche Praxis besonders bedeutsam ist die Frage, ob die neue Formatvorgabe bereits bei der Aufstellung von Rechnungslegungsunterlagen zu berücksichtigen sein wird. In diesem Fall wäre sie zwangsläufig auch Gegenstand der Abschlussprüfung. Die Frage scheint daher nicht nur für die berichtenden Emittenten und ihre Organmitglieder, sondern auch für deren Abschlussprüfer wesentlich.

Leider aber ist sie durch eine Auslegung der europarechtlichen Vorgaben nicht klar zu beantworten. Eine erste Antwort darauf hat der Referentenentwurf gebracht, den die Bundesministerien der Finanzen und der Justiz und für Verbraucherschutz am 20.09.2019 vorgelegt haben. Dieser Entwurf sieht eine Aufstellungslösung vor.“

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.

Mehr zum Thema

Mehr zum Thema erfahren Sie im Fachaufsatz „Jahresfinanzberichterstattung im einheitlichen europäischen elektronischen Format: Umsetzung der Vorgaben der (überarbeiteten) Transparenzrichtlinie in Recht und Praxis“ von Dr. Nina Kumm, LL.M in DK vom 15.06.2019, Heft 06, Seite 253-264, DK1306714


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