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23.03.2020

Interview

Dienstreise-Compliance: Reisen mit Familienangehörigen

Beitrag mit Bild

Der Betrieb

Vor Kurzem wurde über die Dienstreisepraxis leitender Angestellter der Europäischen Zentralbank (EZB) berichtet, speziell über die Mitnahme von Ehepartnern durch hochrangige Direktoren auf Kosten der Bank. Neben dem Umstand, dass eine derartige Praxis immer den Beigeschmack von Vorteilsnahme entwickeln kann, treten noch weitere compliance-relevante Aspekte hinzu.

DB: Wie sieht es mit steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Aspekten solcher Reisen aus? Sie sind ja eine Art Einkommen für den jeweiligen Ehepartner? Welche Regelungen greifen hier für die Beteiligten und das Unternehmen?

Varga-Zschau: Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass alle Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer im Zuge einer Dienstreise anfallen, vom Arbeitgeber steuer- und sozialversicherungsfrei erstattet werden können. Übernimmt der Arbeitgeber aber die Aufwendungen für Flug, Hotel oder Verpflegung eines Angehörigen, stellt dies für den Arbeitnehmer insoweit steuer- und sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohn dar. Arbeitgeber können ihrem Arbeitnehmer lediglich die Aufwendungen abgabenfrei erstatten, die auch ohne die Mitnahme des Ehegatten angefallen wären. Lassen sich die Kosten nicht genau dem Arbeitnehmer bzw. seinem Ehepartner zuteilen, ist eine sorgfältige Schätzung vorzunehmen – ggf. mit 50%. Dies gilt im Übrigen auch für weitere Familienangehörige, wie z.B. die Kinder des Ehepaares. Nur in extremen Ausnahmefällen werden sich Konstellationen ergeben, in denen die Mitnahme des Ehegatten tatsächlich betrieblich veranlasst ist.

DB: Compliance und Corporate Governance: Wo machen sich Unternehmen mit solchen Regelungen angreifbar? Was kann man dagegen unternehmen?

Varga-Zschau: Gerade Arbeitnehmer in leitenden Positionen werden gelegentlich aufgrund gesellschaftlicher Gepflogenheiten, vor allem im Ausland, von ihren Ehepartnern bei verschiedenen Anlässen begleitet. Umso wichtiger ist es für die Unternehmen, von vornherein für Transparenz und klare Regeln bei solchen Ausgaben zu sorgen.

Daher lautet die Faustformel für eine Reisekostenrichtlinie: je detaillierter, desto besser. In ihr sollte aufgeführt werden, welche Verkehrsmittel und welche Beförderungsklasse bzw. welches Sterne-Niveau bei Hotelübernachtungen gebucht werden kann. Die Richtlinie darf aber auch nicht zu starr sein. Gerade allgemeine Preisgrenzen sollten vermieden werden, da sie z.B. regional bedingte Preisunterschiede nicht berücksichtigen.
Eine gute Richtlinie setzt einen klaren Rahmen, sieht aber auch abweichende Regelungen in begründeten Ausnahmefällen und nach Freigabe durch den Compliance Officer und einer Person aus der Geschäftsführung vor. Entscheidend ist, dass das Unternehmen einen Genehmigungsprozess implementiert – unter Berücksichtigung des Vier-Augen-Prinzips und mit einer klaren Dokumentation von Entscheidungen. Dadurch wird vermieden, dass sich Mitarbeiter in den Führungspositionen gegenseitig Freigaben erteilen.

Maximale Transparenz heißt das Zauberwort. Und so könnte man über eine entsprechende Regelung auch den Punkt der Begleitung durch Familienangehörige auf Dienstreisen regeln. Für die Unternehmen besteht hier ein breiter Spielraum. Gerade in Großunternehmen kann man mitunter beobachten, dass für die Angestellten strenge Regeln gelten, während die Vorgaben für Top-Manager großzügiger ausgelegt werden. Oder es gelten die gleichen Regeln für alle Mitarbeiter, unabhängig davon, welcher Hierarchiestufe sie angehören. Viele Unternehmen stellen dem Arbeitnehmer auch die Mitnahme von Familienangehörigen auf eigene Kosten frei.

Welche Regelung auch immer getroffen wird, wichtig ist ihre Dokumentation. Im Idealfall im Rahmen einer Reisekostenrichtlinie, die klare und „lebbare“ Regelungen für die Mitarbeiter aufstellt. Sollte eine solche Richtlinie nicht existieren, sollte dennoch darauf geachtet werden, dass der Mitarbeiter vor der Abreise die Mitnahme von Familienangehörigen mitteilt und sich genehmigen lässt.

Gruber: Problematisch werden diese Fälle zumeist im Rahmen von Betriebsprüfungen: Dies kann beispielsweise durch aufmerksame Prüfer geschehen, die bei Hotelrechnungen ganz genau hinsehen und so auf ein Doppelzimmer, das nicht zur Alleinnutzung ausgewiesen ist, oder auf doppelte Kosten für das Frühstück aufmerksam werden und Mitreisende vermuten.

Der Arbeitgeber kann unter Umständen für Dienstreisekosten den Betriebsausgabenabzug riskieren. In der Konsequenz ist die Besteuerungsgrundlage unrichtig und in der Folge wurde zu wenig Steuer abgeführt. Aber auch der Lohnsteuereinbehalt war unrichtig, ebenso wie die abgeführten Sozialversicherungsbeiträge. Grundsätzlich hätten auf die für den Ehegatten des Mitarbeiters entfallenden Kosten Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden müssen, die erstatteten bzw. nicht gegen den Arbeitnehmer geltend gemachten Kosten an sich sind ein Nettobezug. Fällt so ein Fehler zu spät auf, ist dann der Einbehalt der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht mehr möglich und der Arbeitgeber hat diese Beitragslast ebenso zu tragen.

Auf Nummer Sicher geht man als Arbeitgeber nur, wenn man Privates bei Geschäftsreisen grundsätzlich verbietet bzw. lediglich die Aufwendungen des Mitarbeiters trägt. Arbeitnehmer dürfen schlimmstenfalls für die Ausgaben keine Werbungskosten geltend machen oder müssen Lohnsteuer nachzahlen, falls der Arbeitgeber die Kosten der Reise oder Fortbildung übernommen hat.

DB: Wie kann man als Compliance Officer mit einer solchen Praxis umgehen?

Varga-Zschau: Schon der Rechtsverstoß eines einzigen Mitarbeiters kann die Reputation eines Unternehmens dauerhaft schädigen und erhebliche finanzielle Schäden nach sich ziehen. Aus diesem Grund müssen Verstöße gegen unternehmensinterne Richtlinien in gleichem Maße wie Verstöße gegen Gesetze und Verordnungen arbeits- und disziplinarrechtlich geahndet werden. Der Compliance Officer muss die Einhaltung einer bestehenden Reisekostenrichtlinie überwachen und Verstöße der Geschäftsleitung melden. Die Handlungsmöglichkeiten des Compliance Officers hängen in erster Linie vom Regel- und Wertesystem sowie der Organisationsstruktur des Unternehmens ab. Das Fehlen einer Reisekostenrichtlinie, von jeglichen Kontroll- und Sanktionsmechanismen kann bei Verstößen durch Mitarbeiter nicht nur eine Eigenhaftung des Compliance Officers, sondern sogar eine Haftung der Geschäftsleitung und des Unternehmens aufgrund von Organisationsverschulden begründen. Schon deswegen sollte ein Compliance Officer immer auf eine unternehmensübergreifende Regelung in Form von Richtlinien und Handlungsanweisungen mit klaren Vorgaben für Dienstreisen und die Mitnahme von Familienangehörigen drängen. Jede Unklarheit in der Regelung geht letztendlich auf Kosten des Unternehmens.

DB: Generell – wie zeitgemäß sind solche Regelungen?

Gruber: In unserer agilen Arbeitswelt sind solche Richtlinien aktueller als je zuvor. Für Einzelfallentscheidungen ist kein Platz, die Einhaltung von Prozessen ist gerade bei Standardfällen unerlässlich. Denn im Zuge der Internationalisierung ist eine ständige Reisebereitschaft oft Kernbestandteil der Tätigkeit, eine Abstimmung zu allen Einzelfragen vor Beginn jeder Dienstreise ist für die meisten Unternehmen in zeitlicher Hinsicht nicht zu leisten. Das kann dazu führen, dass Mitarbeiter nach dem Prinzip verfahren: „Wenn ich nicht frage, dann kann es auch nicht abgelehnt werden“ und erst einmal handeln. Deswegen ist es besser, wenn eine Reisekostenrichtlinie auch klar darstellt, was verboten ist, oder zumindest, wie in Fällen von mitreisenden Ehegatten, klare Vorgaben macht und beispielsweise festlegt, wie die Rechnungslegung des Hotels aussehen muss, um diese Kosten klar voneinander zu trennen.

Varga-Zschau: Das persönliche Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf liegt heutzutage vielen Unternehmen am Herzen und nicht selten verlängern Mitarbeiter ihre Dienstreise und hängen ein paar Urlaubstage in regional attraktiven Zielorten an. Doch nur dann, wenn für beide Seiten im Vorfeld klar ist, wie damit umzugehen ist, schafft das die erforderliche Sicherheit. Entscheidend ist letztendlich, dass ein Unternehmen klare Regelungen zu Reisen mit Familienangehörigen trifft, diese an alle Mitarbeiter kommuniziert und ihre Einhaltung kontrolliert und dokumentiert wird. Dann dürften entsprechende Regelungen nicht nur zeitgemäß, sondern auch rechtssicher sein.

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Claus Dettki, DER BETRIEB.


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