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29.12.2020

Interview

Country-by-Country-Reportings in der Betriebsprüfung

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Der Betrieb

Viele Unternehmen sind verpflichtet, einen länderbezogenen Bericht (Country-by-Country Report) zu erstellen. In jüngster Zeit fällt auf, dass diese CbC-Reportings zunehmend in Betriebsprüfungen Verwendung finden. Welche Fragen dann häufig gestellt werden und wo typische Stolperfallen liegen, zeigen Markus Kircher, Partner Transfer Pricing und Jens Schäperclaus, Director Tax Management Consulting bei Deloitte.

DB: Herr Kircher und Herr Schäperclaus, bitte erklären Sie uns vorab, welche aktuellen Entwicklungen es beim CbCR gibt.

Kircher: „Ganz aktuell gibt es eine Neuerung im deutschen Recht: Mit dem Jahressteuergesetz 2020 wurden aus § 138a Abs. 2 Nr. 1 AO die Wörter „ausgehend vom Konzernabschluss des Konzerns“ gestrichen. Diese zunächst unbedeutend erscheinende Änderung kann mit nicht unerheblichen Mehraufwand bei der Erstellung des CbCR einhergehen. Denn der Gesetzgeber bewirkt hiermit, dass in das Zahlenwerk (Tabelle 1) nunmehr auch Werte derjenigen Konzerngesellschaften aufgenommen werden müssen, die lediglich aus Wesentlichkeitsgründen nicht in den Konsolidierungskreis des Konzernabschlusses einbezogen wurden.

Das Jahressteuergesetz ist am 18.12.2020 vom Bundesrat gebilligt worden; somit gelten die Änderungen in § 138a AO ab dem Tag nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt für alle offenen Fälle. Was genau als offener Fall im Sinne des § 138a AO anzusehen ist, ist aber unklar – etwa ob ein beim BZSt bereits eingereichter Bericht, zu dem aber noch keine Verarbeitungsbestätigung eingegangen ist, auch als noch offener Fall gilt.“

Schäperclaus: „Nach der aktuellen Handlungsanweisung der OECD zum CbCR sollen aus den länderbezogenen Angaben zum Vorsteuergewinn diejenigen Dividendenerträge ausgeschlossen werden, die von in den CbCR einbezogenen Einheiten zufließen. Das gleiche soll für Ertragsteuern gelten, die auf solche Dividendenerträge entfallen. Diese sind ebenfalls aus den Angaben zu den gezahlten Ertragsteuern („taxes paid on a cash basis“) sowie zum Ertragssteueraufwand („taxes accrued“) herauszurechnen. Hiermit sollen Doppelzählungen vermieden werden. Laut OECD gilt diese Regelung für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 01.01.2020 begonnen haben. Mitglieder des sog. Inclusive Framework waren angehalten, sie bereits früher anzuwenden oder ihre Anwendung den verpflichteten Unternehmen zumindest freizustellen. Deutschland ist zwar Mitglied des Inclusive Framework, hat sich zu der genannten Neuregelung aber nicht explizit geäußert. Da nach dem BMF-Schreiben vom 11.07.2017 den Auslegungen der OECD grundsätzlich gefolgt werden soll, haben wir unseren Mandanten eine frühzeitige Anpassung ihres Zahlenwerks empfohlen.

Eine weitere technische Neuerung betrifft die Implementierung einer neuen Version des OECD-Datenschemas (XML-Schema 2.0) durch das BZSt. Hierdurch werden zwischen dem 10.01.2021 und den 14.01.2021 keine Berichte eingereicht werden können. Im Anschluss werden keine Übermittlungen nach dem alten Schema mehr angenommen. Falls die Übermittlungsfrist für ein verpflichtetes Unternehmen der 31.01.2021 ist, empfehlen wir eine Einreichung vor der Umstellung – somit spätestens Anfang Januar des kommenden Jahres.“

DB: Und nun blicken wir in Richtung Betriebsprüfung: Wie nutzen denn Finanzbehörden die in CbCR enthaltenen Informationen?

Schäperclaus: „Zunächst ist nochmals darauf hinzuweisen, dass der gesamte Report (also das Zahlenwerk in Tabelle 1, die Angaben zu Stammdaten und Aktivitäten der einbezogenen Einheiten in Tabelle 2 sowie die zusätzlichen Freitext-Informationen in Tabelle 3) allen Staaten zur Verfügung gestellt wird, in denen sich einbezogene Einheiten befinden und mit denen ein multilaterales oder bilaterales Datenaustauschabkommen existiert. Es kann davon ausgegangen werden, dass die mittlerweile 90 Jurisdiktionen, in denen es gesetzliche CbCR-Regelungen gibt, unterschiedliche Algorithmen zur Auswertung der Daten im Einsatz haben.

Alle Arten der Datenauswertung – ob manuell, teil-automatisiert oder vollautomatisch – haben das gemeinsame Ziel, den analysierenden Finanzverwaltungen eine initiale Einschätzung zu ermöglichen, wie sich die wirtschaftliche Aktivität und die steuerliche Positionierung eines Konzerns im eigenen Land zur wirtschaftlichen Aktivität und der steuerlichen Positionierung in anderen Ländern verhält.

Wie ausgefeilt die Datenanalyse bereits ist, kann man nur mutmaßen; der Reifegrad wird von Land zu Land stark unterschiedlich sein. Klar ist, dass die Möglichkeiten, über eine Analyse der CbC-Reports immer aussagekräftigere Risikoeinschätzungen zu erhalten, mit der Zeit immer besser werden.“

Kircher: „Und dies liegt im Wesentlichen an drei Faktoren: Erstens wird mit der Integration von CbCR-Gesetzgebung in weiteren Ländern sowie mit dem Abschluss und der Aktivierung weiterer Datenaustauschabkommen das Volumen zur Verfügung stehender Daten noch erheblich ansteigen. Zweitens wird die Zeitreihenanalyse als wesentliches Werkzeug zur Risikoidentifizierung an Wert gewinnen, je länger Daten aus dem CbCR gesammelt werden. Und drittens führt die Fortentwicklung des Datenschemas und der zugehörigen Handlungsanweisungen durch die OECD zu einem höheren Standardisierungsgrad und damit zur besseren Auswertbarkeit der CbC-Daten.

Bei all dem darf nicht vergessen werden, dass Erkenntnisse aus CbC-Daten lediglich zur Risikoeinschätzung verwendet werden dürfen, aber nicht um hiermit unmittelbar nachteilige steuerliche Konsequenzen, wie etwa Margenanpassungen, zu begründen. Hierfür sind weiterhin fundierte Prüfungshandlungen notwendig.“

DB: Haben Sie denn in Ihrer Praxis bereits Fälle, in denen CbCR auch in der Betriebsprüfung eine Rolle spielten?

Kircher: „Ja, tatsächlich finden CbC-Reportings in Betriebsprüfungen zunehmend Beachtung. Das ist ganz folgerichtig angesichts von entsprechenden Schulungen und Erfahrungsaustausch der Betriebsprüfer. Bei Prüfungen von Veranlagungszeiträumen vor Einführung des CbCR wird ein aktiver Einsatz für die Folgebetriebsprüfung immer häufiger angekündigt. Und da die Betriebsprüfungen zunehmend Veranlagungszeiträume ab 2016 umfassen, nimmt mittlerweile auch die Zahl der Fälle zu, in denen die Betriebsprüfung das CbCR einsetzt. Allerdings wirken die Auswertungen in deutschen Betriebsprüfungen derzeit teilweise noch manuell und einzelfallbezogen.“

Schäperclaus: „Interessanterweise wird in einigen Fällen insbesondere die Datenqualität und -konsistenz in den Blick genommen. Darüber hinaus erfolgt ein Abgleich mit anderen verfügbaren Informationsquellen, wie z.B. Jahresabschlüssen oder Verrechnungspreisdokumentationen. Dies ermöglicht der Finanzverwaltung oft erste Ansatzpunkte für weitergehende Fragen. Für die Zukunft erwarten wir, dass das CbC Reporting entsprechend seiner ursprünglichen Zielsetzung vermehrt auch im Rahmen automatisierter risikoorientierter Vorprüfungen zur Festlegung von Betriebsprüfungsschwerpunkten zum Einsatz kommt.“

DB: Welche Fragen der Betriebsprüfer zum CbCR tauchen am häufigsten auf?

Schäperclaus: „Die Fragen lassen sich in zwei Kategorien zusammenfassen: Zum einen gibt es Fragen hinsichtlich der ermittelten Daten, deren Richtigkeit, den Datenquellen bis hin zur Überleitung zu Einzel- und Konzernabschlüssen. Die andere Kategorie ist inhaltlicher Natur und folgt aus der Auswertung der im CbCR zusammengefassten Informationen: Sie setzen in der Regel bei Vergleichen bestimmter Kennzahlen zwischen den relevanten Jurisdiktionen an, beispielsweise, wenn potenzielle Inkonsistenzen zwischen Mitarbeiterzahl, Funktionen der Gesellschaften, Umsätzen und Gewinnen vorliegen.“

Kircher: „Die Fragen nach offenbaren Missverhältnissen bzw. Unstimmigkeiten lassen sich in vielen Fällen durch eine Erläuterung der Datenquellen und der Aussagekraft des CbC-Reportings klären. Wie der Name bereits sagt, handelt es sich beim CbC Reporting ja um eine Gegenüberstellung von ausgewählten Daten auf Ebene einer Jurisdiktion, nicht um eine detaillierte Darstellung von einzelnen Unternehmen. Teilweise ist selbstverständlich eine tiefergehende Analyse geboten, um beispielsweise Sondereffekte zu erläutern. Hier ist es wichtig, die Brücke zu anderen Dokumenten, wie Master File und Local Files sowie der externen Finanzberichterstattung zu schlagen.

Grundsätzlich sollten Unternehmen Fragen im Zusammenhang mit dem CbC Reporting natürlich ernst nehmen und ihren Mitwirkungspflichten nachkommen. Bei Gruppengesellschaften ausländischer Konzerne sind die Mitwirkungspflichten oft durch die fehlende Möglichkeit, auf Informationen zuzugreifen, beschränkt. Deutsche Konzernobergesellschaften haben dagegen regelmäßig umfassendere Mitwirkungspflichten. Droht sich allerdings der Fokus auf eine Art Detailprüfung des CbC-Reportings zu verschieben, statt dieses sachgerecht als Einstieg in eine Prüfung der Fremdüblichkeit von Verrechnungspreisstrukturen zu nutzen, ist es legitim, dies als Steuerpflichtiger zu adressieren.“

DB: Worauf sollten Unternehmen also bei Erstellung des CbCR achten?

Kircher: „Eine hohe Datenqualität ist aus unserer Sicht der Schlüssel zu einem reibungslosen CbC-Reporting mit überschaubarem Überraschungspotenzial. Unternehmen sollte bewusst sein, dass automatisiert auswertbare Daten zwar entsprechenden Risikoregeln unterworfen werden. Nicht automatisiert auswertbare Daten werden aber von den Analysesystemen grundsätzlich als risikobehaftet qualifiziert und ausgesteuert. Somit sollten zumindest alle formalen Vorgaben berücksichtigt und auf Konsistenz der Datensätze geachtet werden. “

Schäperclaus: „Genau. Konsistenz ist natürlich auch zwischen den Berichtsperioden zu wahren. Werden vom einen auf das andere Jahr Änderungen vorgenommen, die sich wesentlich auf den Bericht auswirken, so sollten diese in der dafür vorgesehenen Tabelle 3 erläutert werden. Das gleiche gilt für die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe oder die Ausübung von Wahlrechten durch das Unternehmen. Durch entsprechende Erläuterungen können potenziell aufscheinende Risikoindikatoren von vornherein entkräftet werden.“

DB: Hat das CbCR trotz dieser zusätzlichen Betriebsprüfungsrisiken denn auch gute Seiten?

Schäperclaus: „Definitiv. Das Bemühen um eine hohe Datenqualität des CbCR hat bei einigen unserer Mandanten zu Fragen geführt, die nur in Zusammenarbeit zwischen der Verrechnungspreisabteilung, dem Tax Accounting sowie dem Bereich Konsolidierung geklärt werden konnten. Hierbei sind in der Vergangenheit bereits Inkonsistenzen aufgefallen, deren Behebung das Berichtswesen insgesamt verbessert hat – nicht nur den CbC Report.“

Kircher: „Ja, die Notwendigkeit sich mit der Ermittlung und Aufbereitung der zu berichtenden Informationen zu beschäftigen, kann man auch als Chance wahrnehmen. Aus unserer Sicht bietet das CbC-Reporting eine Gelegenheit, den Informationsfluss zwischen der Konzernsteuerabteilung und den Konzerngesellschaften insgesamt zu verbessern. Und wer es schafft, das CbC-Reporting bereits bei der Planung und Dokumentation vorausschauend im Blick zu haben, hat viel dafür getan, Risiken späterer Betriebsprüfungen zu reduzieren.“

DB: Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro.

 

Jens Schäperclaus ist Steuerberater bei Deloitte und als Director an den Standorten Düsseldorf und Köln tätig. Mit seinem Team berät er Mandanten in Fragen der Digitalisierung der Steuerfunktion und der steuerlichen Prozessoptimierung mit einem Fokus auf DV-Migrationsprojekten. Zudem ist er verantwortlich für das GoBD Kompetenzzentrum bei Deloitte und für die technische Umsetzung des Country-by-Country Reportings (CbCR) für deutsche Mandanten.

 

 

Markus Kircher ist Partner im Bereich Transfer Pricing bei Deloitte in Frankfurt. Seit über 20 Jahren berät er multinationale Unternehmen in unterschiedlichen Industrien ganzheitlich zu Verrechnungspreis- und Schnittstellenthemen in enger Zusammenarbeit mit Kollegen anderer Disziplinen. Sein Fokus liegt auf der Gestaltung und Implementierung von Verrechnungspreissystemen, der Beurteilung von Verrechnungspreisrisiken und dem Aufbau von Compliance-Systemen sowie der Verteidigung von Verrechnungspreissystemen in Betriebsprüfungen, Zollprüfungen, Begleitung von Advance Pricing Agreements und Verständigungs- und Schiedsverfahren.


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